Honor Harrington 17. Um jeden Preis
gedacht …«
»Ich auch nicht«, sagte sie, entzog ihm ihre biologische Hand und fuhr sich damit durchs Haar. Sie blinzelte mit feuchten Augen, während eine unverkennbare Freude an die Spitze der wirbelnden emotionalen Springflut stieg. Dann aber bezwang Honor sich und rückte von ihm ab.
»Ich hätte nie damit gerechnet, Hamish«, sagte sie ruhig, »aber jetzt, wo es geschehen ist, müssen wir eine Entscheidung treffen.«
»Ja.« Er stand langsam auf, dann sank er vor ihr in einen Sessel und nickte. »Ja, das müssen wir«, stimmte er zu, und obwohl das leuchtende Band des Entzückens blieb, schmeckte sie, wie dahinter Befangenheit und plötzliche Sorge zur Oberfläche strebten.
Samantha hüpfte vom Schreibtisch auf den Boden, huschte zu Honor, sprang auf deren Sessel, wo sie gerade lange genug blieb, um mit Nimitz die Wangen zu reiben. Dann sprang sie zu Hamish und setzte sich auf seinen Schoß. Er streichelte langsam und reflexartig ihren seidigen Pelz. Genau wie, entdeckte Honor, sie Nimitz streichelte.
»Dein Kommando«, sagte er. »Emily.«
»Und die Medien«, sagte Honor und verzog das Gesicht. »Meine Mutter hat mich gefragt, warum ich nichts auf die einfache Art tun kann. Ich wünschte, ich hätte darauf eine Antwort.«
»Weil du der Salamander bist«, sagte er und verzog ironisch den Mund. »Aber unter uns gesagt, mir wäre es lieber, wenn du in ein paar Feuer weniger springen könntest, zumindest, wenn es um dein Privatleben geht.«
»Leider sitzen wir hier zusammen in den Flammen.«
»Ja, das stimmt.« Er lächelte ein wenig launiger. »Ich bin versucht, den Weg des Feiglings zu nehmen und dir zu sagen, dass wir, weil du die Schwangere bist, tun werden, was du für das Beste hältst. Aber du bist nicht von allein schwanger geworden, und ich glaube, dass ein Vater seine Pflichten nicht damit in Angriff nehmen sollte, indem er sich vor ihnen drückt. Gleichzeitig hattest du wenigstens ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken. So, nachdem ich das ausgesprochen habe: Hast du denn schon eine Meinung, was wir tun sollten?«
»Nun, für den besten Ausgangspunkt hatte ich gehalten, dich zu fragen, ob du Vater sein möchtest oder nicht«, entgegnete sie lächelnd. »Zum Glück hast du diese Frage schon beantwortet. Der nächste Schritt ist also zu entscheiden, wie wir es Emily sagen sollen.« Ihr Lächeln verschwand. »Offen gesagt kann ich überhaupt nicht abschätzen, wie sie auf diese Neuigkeit reagieren wird, und ich möchte unbedingt vermeiden, ihr wehzutun, Hamish. Aber ich glaube, meine Mutter hat Recht. Moralisch besitzen wir kein Recht, sie vor dieser Sache zu ›beschützen‹. Außerdem«, ihr Mund spannte sich, »darfst du dich erinnern, was für einen scheußlichen Schlamassel wir angerichtet haben, als wir das letzte Mal versuchten, sie ›in Schutz zu nehmen‹.«
»Du hast Recht«, sagte er. »Und deine Mutter auch. Übrigens weiß ich auch nicht, wie sie reagieren wird. Ich weiß, dass sie Kinder wollte, als wir heirateten, und es sich nach ihrem Unfall anders überlegt hat. Ihre Mutter hatte damit etwas zu tun, glaube ich.«
Sein Gesicht nahm eine gewisse Düsterkeit an, und Honor spürte eine kalte, bittere Faser aus lang aufgestautem, stählernem Zorn.
»Emilys Mutter hat nicht gut verkraftet, was geschah«, sagte Hamish leise. »Zuerst wollte sie, dass wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihrer Tochter das Leben zu retten. Später, als wir feststellen mussten, welch schwere Dauerschäden Emily davongetragen hatte, und zwar auf Dauer, änderte sich ihre Haltung. Ich kann ihr nicht einmal verübeln, dass sie es nicht gut aufgenommen hat, zumindest am Anfang. Ich selber habe es schwer verkraftet, als ich akzeptieren musste, dass ich sie nie wieder gesund machen konnte – nein, das ist ungerecht; ich habe es hundertprozentig und vollkommen vermasselt.
Aber Emilys Mutter hat es nie überwunden. Für sie war es eine Frage der Lebensqualität, und sie hat mir tatsächlich einmal gesagt – Gott sei Dank nicht in Emilys Hörweite –, dass es weit gnädiger von mir gewesen wäre, hätte ich Emily einfach sterben lassen, statt sie ›aus purer Selbstsucht herzlos zu einem entsetzlichen Leben als erbärmlicher, hilfloser Krüppel zu verdammen‹.«
Honor biss die Zähne zusammen. Emilys Mutter hatte es vielleicht nie in Hörweite der Tochter gesagt, doch Honor hatte selbst entdeckt, wie scharf Emily beobachtete und wie genau und präzise sie die Menschen um sich durchschaute.
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