Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
Verzögerung. »Bremsen Sie auf null relativ zur Sonne ab. Sobald das geschehen ist, werden Sie von Prisenkommandos geentert. In der Zwischenzeit«, sie lächelte erneut ihr beängstigendes Lächeln, »bleiben meine Schiffe hier, wo wir … die Dinge im Auge behalten können.«
»Hoheit«, sagte Captain Jaruwalski, nachdem Honor ihr Gespräch mit Lester Tourville beendet hatte.
»Ja, Andrea?«
Honor fühlte sich ausgelaugt und leer. Eigentlich, so nahm sie an, sollte sie wohl Triumph empfinden. Immerhin hatte sie gerade fast siebzig Superdreadnoughts vernichtet und fünfundsiebzig gekapert. Das musste ein interstellarer Rekord sein, und als Sahnehäubchen hatten ihre Leute das Heimatsystem des Sternenkönigreichs vor der Invasion gerettet. Doch wie sollte man nach so viel Blutvergießen, so viel Vernichtung Triumph empfinden?
»Hoheit, über die Ortungssatelliten des Systems erhalten wir Identifikationen von Admiral Kuzaks überlebenden Schiffen.«
»Ja?« Honor spannte sich innerlich an. Die erbärmliche Hand voll von Icons, wo die Dritte Flotte gewesen war, verspottete sie. Vielleicht, wenn sie ihre Schiffe nur ein paar Minuten früher in Position gebracht hätte …
Sie schob den Gedanken zur Seite und sah Jaruwalski in die Augen.
»Hoheit, die meisten unserer Schiffe sind vernichtet«, sagte der Operationsoffizier leise, »aber ich habe Transpondercodes sowohl von der Chimera als auch der Intransigent .«
Honors Herz machte einen Satz, und das Eis um ihre Seele schien aufzubrechen, wenn auch nur ganz leicht. Nimitz regte sich auf ihrem Schoß, setzte sich wieder auf, lehnte sich an sie, hob die langfingrige Echthand und berührte sie an der Wange.
»Ich habe versucht, sie zu rufen«, warf Harper Brantley ein und zog Honors Aufmerksamkeit auf sich. Ihre Augen brannten, als sie seine Emotionen schmeckte. Wie Jaruwalski wünschte er sich nichts mehr, als ihr gute Neuigkeiten übermitteln zu können, ihr zu sagen, dass jemand, der ihr wichtig war, überlebt hatte. Etwas , um den Schmerz und das Blut wenigstens ein bisschen auszugleichen.
»Die Chimera kann ich nicht erreichen«, fuhr Brantley fort. »Es sieht aus, als wäre sie in besserem Zustand als die Intransigent , aber offenbar funktioniert ihr Gravcom nicht mehr. Ich habe allerdings eine Überlichtverbindung zu Captain Thomas.«
»Auf meinen Schirm«, sagte Honor rasch und wandte sich ihrem Com zu, als darauf das geplagte, erschöpfte Gesicht von Alistair McKeons Flaggkommandantin erschien.
»Captain Thomas!«, sagte Honor mit breitem Lächeln. »Wie schön, Sie zu sehen.«
Die Intransigent war kaum vierhundertdreizehn Lichtsekunden von der Imperator entfernt – keine sieben Lichtminuten –, und die Übertragung in eine Richtung dauerte keine sechseinhalb Sekunden.
»Das geht mir genauso, Hoheit«, antwortete Thomas dreizehn Sekunden später. An ihrer Stimme war etwas Merkwürdiges.
»Ich habe die Kapitulation der verbleibenden havenitischen Schiffe angenommen«, fuhr Honor fort. »Da Sie so viel dichter an ihnen stehen als ich, wäre es sinnvoller, wenn Admiral McKeon oder Admiral Truman sich um die Einzelheiten kümmerten. Könnte ich bitte Admiral McKeon sprechen?«
Wartend saß sie da und ging innerlich die Dinge durch, die sie mit Alistair besprechen musste. Ob er die Kapitulation offiziell annehmen und rasch einige Pinassen voll Marines an Bord von Tourvilles Schiffen senden konnte, dann …
»Ich …«, begann Thomas dreizehn Sekunden später, unterbrach sich und schloss kurz die Augen, das müde Gesicht gequält vor Schmerz.
»Hoheit«, sagte sie leise, »es tut mir leid. Wir haben einen Volltreffer in die Flaggbrücke erlitten. Es gab … keine Überlebenden.«
37
Im Kinderzimmer war es sehr still.
Ihre Eltern waren unten und spielten ohne Zweifel Hearts mit Hamish und Emily, während sie auf sie warteten, und sie hatte viel Zeit. Man erwartete sie im Mount Royal Palace zu einem Staatsbankett, das sich über Stunden hinziehen würde, und sie war in Uniform ins Kinderzimmer gekommen, damit sie sich nicht hinterher noch umziehen musste. In mancherlei Hinsicht, dachte sie, hatte sie überhaupt keine Zeit hierzu, aber das war dann eben Pech. Das übrige Sternenkönigreich – und auch die ganze Galaxis – musste dann eben warten.
Lindsey Phillips hatte ihr geholfen, Raoul und Katherine umzuziehen und bettfertig zu machen, während Emily die Oberaufsicht führte. Nun saß Honor in ihrem
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