Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
hätte Illescue gespürt, dass sie an ihn dachte, blickte der Arzt zum Beobachtungsfenster hoch, nickte einmal und winkte sein Team vor.
Das ist ein Routineeingriff, den er jeden Tag vornimmt , erinnerte sich Honor. Ein Routineeingriff. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Gib Ruhe, Puls!
Sie atmete tief durch und mobilisierte jahrzehntelanges Kampfsporttraining, aber es war schwer, sehr schwer. Am liebsten hätte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und die Nase an das Glas gedrückt, um den ersten Blick auf ihr Kind zu erhaschen. Sie wollte Emily und Hamish in die Arme schließen und singen. Nimitz und Samantha spürte sie bei sich, nahm teil an ihrer Spannung und ihrem Entzücken, und plötzlich begriff sie, dass noch keine andere Frau je den Augenblick der Geburt ihres Kindes mit einem Baumkatzenpaar geteilt hatte.
Auf der anderen Seite der Scheibe öffneten Illescue und sein Team das Gerät. Die Innenkammer fuhr langsam aus, und Honor hielt den Atem an, wusste, dass sie trotz aller Bemühungen Hamishs Hand malträtierte – an der Linken hatte sie den Begrenzer zugeschaltet, um Emily zu schützen –, während sie ihren ungeborenen Sohn im Fruchtwasser treiben sah. Das Kind regte sich, trat und driftete, und sogar durch die Korona der Freunde ringsum schmeckte sie den Strang seiner schläfrigen, ungeformten Verwunderung, als spürte es den nahenden Augenblick seiner Geburt. Die Gefühle ihrer Familie und Freunde waren wie ein gewaltiger Ozean, tief, intensiv und stark, aber gerichtet. Nicht gerade friedlich, aber zugleich nicht ungestüm. Sie waren lebendig, bebten vor Erwartung wie eine angeschlagene Gitarrensaite, und waren gleichzeitig so strahlend warm zugetan – freuten sich so sehr für sie –, dass Tränen Honors Blick trübten.
Illescue drückte Tasten auf einer Konsole, und der Deckel der Innenkammer glitt auf. In der Flüssigkeit trieb eine faserig aussehende Matte, und er benutzte ein Vibroskalpell, um die aufzutrennen. Die Nabelschnur war mit der Matte verbunden gewesen, und sie ringelte sich träge, als er mit behandschuhten, sterilen Händen hineingriff und den kleinen, zerbrechlichen, unendlich kostbaren Leib heraushob.
Honors Lungen bestanden darauf, dass sie einatmete. Sie ignorierte sie, denn ihr ganzes Wesen konzentrierte sich auf Illescues sanfte, tüchtige Hände, während er und sein Team die Nabelschnur abtrennten und die Atemwege freimachten; dann änderten sich die Empfindungen des Säuglings unversehens.
Honor schloss die Augen und streckte mentale Hände aus, versuchte das Geistesleuchten des Neugeborenen zu berühren, in dem schläfrige Zufriedenheit Angst und Verwirrung wich, Schock, als er die warme Sicherheit der Gebärmutter verlassen musste und ins kalte, furchteinflößende Unbekannte gerissen wurde. Honor spürte, wie er protestierte und sich wand, zurückzukehren versuchte, und dann waren auf eine Weise, von der sie wusste, dass sie es einem anderen Menschen niemals erklären könnte, Nimitz und Samantha bei ihr. Gleich darauf kam Farragut, hinter ihm Ariel und Monroe.
Die Baumkatzen griffen nach ihm, als der erste, dünne Protestschwall erklang, und plötzlich, es war so leicht wie die Hand in einen Handschuh zu führen, berührte Honor ihn. Berührte ihn, wie sie noch keinen anderen Menschen berührt hatte, selbst Hamish nicht. Es war, als hätte sie die Hand in die Dunkelheit gestreckt, und eine kleinere, wärmere, vollkommen vertrauende Hand hätte sie mit untrüglicher Genauigkeit gefunden.
Der Beschwerdeschwall versiegte. Der Säugling bewegte die Augen, ohne scharf sehen zu können, und doch spürte er, aus welcher Richtung das herzliche, tröstende Willkommen kam, die Liebe und die Ungeduld, die von Honor ausgingen. Er war noch eine ungeformte Präsenz, aber er kannte sie trotzdem. Er erkannte sie, und sie spürte, wie ihn Kummer und Angst verließen, während er sich eng an sie schmiegte.
Ihre Sicht nach außen geriet ins Wanken, verschwand hinter einem Tränenschleier, und sie spürte, wie Hamish die Arme um sie legte. Sie spürte seine Liebe zu ihr, zu ihrem Sohn, zu Emily, die sich erhob, um sie zu umschließen. Sie klammerte sich an ihn, ohne Emilys Hand loszulassen, und in diesem Augenblick wusste sie, dass ihr ganzes Leben lebenswert gewesen war.
Das Baby wand sich, wehrte sich gegen die fremden Hände, die Instrumente, während es gewogen, untersucht und bewertet wurde. Doch während es sich wandte, das Gesicht zur konzentrierten Miene eines
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