Honor Harrington 19. Der Schatten von Saganami
und wies auf die bequemen Schwebesessel, die in seinem Büro verteilt standen. Sie nahmen in der großen Gesprächsecke Platz, und gut ausgebildete Dienstboten - in der Alten Liga skandalös teure Luxusgüter, aber am Rand mehr als leicht zu bekommen - brachten Tabletts voller Erfrischungen herein.
Tyler nahm sein Weinglas in die Hand und lehnte sich im größten, eindrucksvollsten Sessel des Büros zurück, gestattete sich einen Augenblick, in dem er sich an den außerordentlich kostspieligen handgemalten Ölgemälden an den Wänden erfreute, dem handgeknüpften Teppich und dem Original einer Skulptur von DeKuleyere neben seinem Schreibtisch. Die beständigen, sich immerfort subtil verändernden Töne, die von der Lichtskulptur ausstrahlten, waren fast unhörbar, doch er spürte, wie sie ihn streichelten wie eine Geliebte.
Er wusste genau, dass er nichts tun konnte, was ihn in den Augen seiner Gäste zu etwas anderem machte als einen Neobarbaren vom Rand, ganz gleich, wie höflich sie es verbargen.
Sein Vater hatte ihn auf Alterde erziehen lassen. Die Erfahrung hatte seine Verachtung für die weichliche, saccharinsüße, geradezu kultische Verehrung des Individuums der Alten Liga nicht im Mindesten dämpfen können, doch wenigstens besaß er nun einen verfeinerten Gaumen und wusste die schöneren Dinge des Lebens zu schätzen.
Er wartete, bis allen seinen Gästen etwas serviert worden war und die Diener sich zurückgezogen hatten. Dann sah er, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt und das Weinglas in beiden Händen geborgen, Anisimovna an und zog eine Augenbraue hoch.
»Ich war begeistert, als Ihr hiesiger Vertreter meinen Terminsekretär anrief, Ms Anisimovna. Normalerweise empfange ich niemanden, wenn ich nicht wenigstens eine vage Vorstellung habe, was er von mir wünscht. Doch im Lichte der Geschäftsbeziehungen zwischen Ihrer Gesellschaft und so vielen prominenten Bürgern Monicas war ich mir sicher, was immer Sie von mir wünschen, es kann keine Zeitverschwendung sein. Und nun sehe ich, dass mein guter Freund Vizekommissar Hongbo Sie begleitet, und Mr Levakonic. Ich muss zugeben, es reizt meine Neugier.«
»Das hatte ich auch gehofft, Mr President«, erwiderte sie mit einem liebreizenden, charmanten Lächeln. Er schmunzelte anerkennend, und sie zuckte mit den Schultern. »Tatsächlich sind wir hier, weil meine Kollegen und ich eine Situation sehen, in der wir alle, Sie und Ihre Republik eingeschlossen, einem schwierigen Problem gegenüberstehen. Ein Problem, das wir womöglich nicht nur lösen, sondern vielmehr in eine außerordentlich profitable Angelegenheit umwandeln könnten.«
»Wirklich?«
»O ja. Wirklich«, sagte sie. Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Tyler genoss den Anblick, als das enge Gewebe sich an ihre schlanken, halb entblößten Schenkel legte. An den Stellen, wo es sich spannte, wurde es außerdem für bezaubernd kurze Zeit durchscheinend, bemerkte er.
»Das schwierige Problem, das ich meine, Mr President«, fuhr sie fort, »ist das unvermittelte, unerwünschte und ungerechtfertigte Eindringen des Sternenkönigreichs von Manticore in den Talbott-Sternhaufen.«
Tylers Genuss des Anblicks schwand augenblicklich, und er kniff die Augen zusammen. >Unerwünscht< war eine ausgesprochen schwache Beschreibung für die plötzliche Ankunft Manticores vor seiner Haustür. Der Sternhaufen war für Monica (oder sonst jemanden) nie besonders wichtig gewesen, ehe die Manticoraner ihren verdammten Terminus entdeckten. Selbst die Bezeichnung >Talbott-Sternhaufen< war vollkommen unzutreffend; die Ansammlung von Sternen, die er beschrieb, war weder ein Sternhaufen, noch befand sich das Talbott-System im Zentrum. Es war nur ein bequemes Etikett gewesen, das solarische Astrographen dem Raumgebiet gegeben hatten, weil sich im armen Talbott-System der erste Beobachtungsposten der Grenzsicherheit befunden hatte. Das OFS hatte die Welt schon lange zu Gunsten des wertvolleren Meyers-Systems aufgegeben, nachdem Meyers zu einem offiziellen solarischen Protektorat geworden war; der Name jedoch hatte sich gehalten.
Aber nun war das Sternenkönigreich dort, und sein Ruf eilte ihm voran. Tyler erwartete nicht, dass seine Beziehungen zu Leuten wie Anisimovna vor manticoranischen Augen Gnade finden würden, und er sah den Folgen, die das manticoranische Beispiel für persönliche Freiheit - ganz zu schweigen vom Lebensstandard - auf seine Bürgerschaft haben konnte, mit allem anderen
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