Honor Harrington 5. Im Exil
bereit sein, wenn man Gottes Willen vollbringen wollte. Die tiefste Sorge bereitete ihm – und auch jenem, für den er Gott an jedem Abend um Erleuchtung anflehte –, daß viele von den Opfern nicht im Stand der Gnade sterben würden, denn sie hatten sich von der fremden Hexe zu Sünde verführen lassen und sich ihr verschrieben. Nur mit Schmerz konnte Harding den Gedanken ertragen, wie schwer ihre Seelen für diese Sünde büßen mußten, aber er tröstete sich damit, daß Gott schließlich wisse, daß diese Männer getäuscht und auf den Pfad der Sünde gelockt worden waren. Und Gott war ebenso gnädig, wie Er schrecklich sein konnte in Seinem Zorn. Vielleicht würde Er in Betracht ziehen, daß die Opfer von den falschen Hirten betrogen und vom rechten Weg abgebracht worden waren.
Aber was auch immer anderen zustoßen mochte, Samuel Harding mußte sich seiner Prüfung stellen. Er wußte, daß Gott schützend Seine Hand über ihn hielt, während er die Aufgabe verrichtete, die Er ihm gestellt hatte, denn niemand hatte bislang auch nur den geringsten Verdacht geschöpft, was Harding dort eigentlich tat. Seine Kollegen akzeptierten ihn als einen der ihren und sahen nicht, daß er das wahre Gesicht der falschen Herrin erkannt hatte, der sie alle dienten, und welche Bedrohung sie und ihr Sternenkönigreich für jeden einzelnen aus Gottes Volk bedeutete. Nein, man hatte nicht einmal bemerkt, daß Harding unter falschem Namen auftrat, und deshalb ahnte keiner von ihnen auch nur im entferntesten, daß der Mädchenname seiner Mutter ›Marchant‹ lautete.
17
»Da! Sehen Sie das?«
Honor deutete in die Tiefen des Hauptdisplays und blickte dabei Mercedes Brigham und Fred Bagwell an. Die drei standen in der Operationszentrale der Terrible und sahen sich die Wiedergabe ihrer letzten Gefechtsübung an; die Plots des Flaggdecks verfügten nicht über die nötige Auflösung, und so konnte Honor keine der Einzelheiten zeigen, die sie für wichtig hielt. Nun betrachtete sie die Gesichter ihrer Offiziere und kostete über die Verbindung zu Nimitz von deren Konzentration, während sie sich über den schwachen Lichtpunkt im Herzen der Holosphäre die Köpfe zerbrachen. Honor spürte, wie die beiden zu schlußfolgern versuchten, was sie selbst bereits geschlossen hatte, dann hörte sie einen gemurmelten Kraftausdruck von Mercedes; Bagwell hingegen wirkte noch immer perplex.
»Ich kann’s sehen, Mylady, aber ich weiß nicht, was es sein soll«, gab er zu und nahm den Blick nicht von der kleinen, geisterhaften Spurablesung. Das war einer seiner Wesenszüge, für die Honor ihn so sehr schätzte: Zwar kannte die Entschlossenheit, mit der er dafür sorgte, daß alles nach Plan ablief, manchmal zur Plage werden, aber wenn er etwas nicht wußte, gab er es unumwunden zu.
»Mercedes?« forderte Honor sie auf, und die Stabschefin seufzte.
»Ja, Mylady, ich weiß, was es ist«, gab sie trocken zu und wandte sich Bagwell zu. »Nämlich eine getarnte Aufklärungsdrohne mit Stealth-Systemen und abgeschaltetem Antrieb, Fred – und sie ist mitten durch unsere Formation gezogen.«
»Eine RD?« Bagwell stutzte, dann leuchteten seine Augen. » Deshalb wußte Admiral Henries, was wir vorhatten?«
»Ja, deswegen«, murmelte Honor mit reumütigem Lächeln. Derartige Verschlagenheit hätte sie Sir Alfred Henries nicht zugetraut. Henries war der Kommandeur des manticoranischen Schlachtgeschwaders, das auf dem Weg nach Thetis war und für Übungszwecke einen Zwischenstopp im Jelzin-System machte.
Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. Stundenlang hatte sie mit Bagwell und Mercedes die kleine Überraschung für Henries geplant, und die List hätte funktionieren müssen. Und tatsächlich, wenn diese Aufklärungsdrohne nicht gewesen wäre, dann hätte sie funktioniert.
Havenitische Eloka-Systeme waren den manticoranischen unterlegen. Um eine vergleichbare Leistung zu erhalten, mußte Haven wesentlich mehr Schiffsmasse opfern. Bei der Umrüstung der Prisenschiffe hatte die Navy von Grayson der Versuchung nicht widerstehen können, all diesen verfügbaren Platz zu nutzen: Die ursprünglichen Eloka-Systeme der erbeuteten Superdreadnoughts wurden entfernt und der gleiche Raum mit manticoranischen Ortungsgeräten gefüllt. Deswegen konnte die Terrible sich einer Kapazität im elektronischen Kampf rühmen, wie sie sonst nur ein sechzehn Millionen Tonnen massendes Orbitalfort besaß. Honor war das nur recht. Wenn jemand ihr Flaggschiff
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