Honor Harrington 5. Im Exil
aber das Ganze ändert die Lage ziemlich radikal.«
»Das ist allerdings wahr, Mylady«, sagte Mercedes und riß sich zusammen. »Wie stark sind ihre Kräfte?«
»Sehr stark. Ich hätte auch nicht geglaubt, daß sie so viel von Trevors Stern würden loseisen können. Nach den Depeschen haben die Havies über dreißig Superdreadnoughts eingesetzt.« Mercedes schürzte schweigend die Lippen, und Honor nickte wieder. »Natürlich auf beide Systeme aufgeteilt, deshalb sind Havens Kräfte noch recht dünn, falls man plant, die Systeme zu halten.«
»Wenn keine Verstärkung kommt, Mylady«, machte Bagwell deutlich.
»Genau.« Honor schüttelte sich und blickte auf das Chronometer. »Nun, wir haben keine Zeit, uns darüber auszulassen. Mercedes, ich treffe Sie in Beiboothangar Eins, und Sie fangen besser gleich mit dem Bericht an, Fred.«
Hochadmiral Matthews erhob sich von seinem Platz, als Lady Harrington den Flaggbesprechungsraum betrat. Admiral Henries hatte eine kürzere Strecke zurückzulegen gehabt und war einige Minuten früher eingetroffen, las aber noch an den Originaldepeschen, als Lady Harrington mit ihrer Stabschefin und zwei Waffenträgern erschien. Matthews sah, wie Major LaFollet mit dem instinktiven Verhalten seines Berufs den Blick auf der Suche nach Gefahrenquellen durch den Besprechungsraum streifen ließ, aber eine knappe Handbewegung Lady Harringtons schickte beide Waffenträger wieder durch die Luke zurück nach draußen. Matthews wußte diese Geste zu schätzen, auch wenn er bezüglich der Waffenträger keine Sicherheitsbedenken hegte; die Sache würde sich ohnedies nicht sehr lange geheimhalten lassen.
Er freute sich auch nicht gerade darauf, sich damit zu befassen. Admiral Henries war dreißig T-Jahre älter als Lady Harrington, und das machte Matthews zum Jüngsten unter den Anwesenden, gleichzeitig aber war er der ranghöchste Allianzoffizier, und deshalb hatte er und niemand sonst zu entscheiden, was wegen dieser Malaise zu unternehmen sei.
»Bitte, Mylady, setzen Sie sich«, sagte er.
Honor nahm auf dem angewiesenen Sessel Platz. Mercedes setzte sich auf den daneben, drückte einige Tasten am Platzterminal und überflog die Depeschen, Honor aber richtete den Blick auf Matthews und hob die Augenbraue. Der Hochadmiral hatte genug Zeit für einen offenen Blick, mit dem er ihr all seine Unsicherheit enthüllte, dann blickte Henries auf, und Matthews verbarg seine Besorgnis hinter einer geschäftsmäßigen Miene.
»Wenn ich je mit so was gerechnet habe, dann soll mich der Blitz beim Scheißen treffen«, erklärte Henries unverblümt, und Matthews konnte nur nicken. Solche Sprache in Gegenwart Lady Harringtons dulden zu müssen, verärgerte ihn, aber sie hatte ohne Zweifel schon Schlimmeres gehört, und der Ausspruch war für Henries einfach typisch. Sir Alfred war ein überaus fähiger Offizier, aber er hatte als Handelsschiffer angefangen und sich seine Flagge – und den Ritterschlag – auf die harte Tour erworben. In der RMN mochte das einfacher sein als in vielen anderen Rotten, aber dennoch stellte es eine bemerkenswerte Leistung dar. Henries kultivierte bewußt eine gewisse Derbheit, als wolle er andere beständig an seine Herkunft erinnern. Für einen Manticoraner war er klein und stämmig, dennoch aber mehrere Zentimeter größer als Matthews, und seine braunen Augen blickten besorgt drein, während er sich mit der Hand durch sein sandfarbenes Haar fuhr, das er so kurz trug wie die meisten Graysons.
»Wo zum Teufel haben die Kerle nur all die Tonnage her?« fuhr Henries fort und wiederholte unbewußt die Frage, die Honor schon früher Mercedes gestellt hatte. »Und wenn sie die Schiffe schon unbedingt einsetzen müssen, warum dann nicht bei Thetis? Das muß denen doch wichtiger sein als ein Überfall auf Minette oder Candor!«
»Falls es nur ein Überfall ist, Sir Alfred«, entgegnete Honor bedächtig. Henries blickte ihr ins Gesicht, und sie hob die Schultern. »Sie haben recht. Haven hat gut sieben Prozent seines verbleibenden Schlachtwalls über hundert Lichtjahre hinter die Front vorgeschoben. Dann hat Haven damit zwo Systeme genommen, die für uns nicht gerade lebenswichtig sind. Uns kommt das wie ein furchtbar dummes Verzetteln vor, wo die Havies doch genau wissen müssen, was passiert, wenn Admiral White Haven nach Trevors Stern durchbricht.« Henries’ zustimmendes Grunzen enthielt eine unausgesprochene Frage, als erkundige er sich, worauf sie hinauswolle, und sie
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