Honor Harrington 5. Im Exil
verlangen konnte, und der einzige Mensch, den sie für die Taten ihrer Firma bestrafen konnte, war sie selbst.
Und vor Lady Harringtons Selbstzerfleischung fürchtete sich LaFollet. Sie zog sich zwar nicht wie damals in sich zurück, aber der Mensch, der ihn aus ihren Augen anblickte, war nicht mehr seine Gutsherrin. Sie war zu einer Fremden geworden und verrichtete ihre Pflichten als Navyoffizier nur, weil ein Überrest ihres persönlichen Ehrgefühls das von ihr verlangte. Aber sie kam den Pflichten nach, als sei sie ein Roboter. Sie war in ihre eigene, private Hölle eingeschlossen und haßte sich selbst noch mehr als es ihre Feinde auf dem Planeten, den ihre Schiffe umkreisten, je vermocht hätten. Niemand konnte ihr eine grausame, boshafte Anklage ins Gesicht schleudern, die sie sich nicht selbst schon an den Kopf geworfen hätte, und der frische Schmerz hatte auch die alten Wunden wieder geöffnet.
LaFollet richtete den Blick auf das grüne Drucksignallicht über der Andockröhre und erinnerte sich an den ersten Abend nach dem Einsturz der Kuppel. Er war außer Dienst gewesen, als ein verzweifelter MacGuiness ihn anrief. Eilends hatte er sich zu Lady Harringtons Kajüte begeben, wo sie sich im schweißklammen Griff eines Alptraums wand. LaFollet besaß keine Vorstellung davon, welche Qualen die Gutsherrin sich selbst auferlegte, aber ein Blick auf Nimitz hatte ihm verraten, wie fürchterlich sie sein mußten.
Selbst als sie sich nach Tankersleys Tod in ihren betäubten Erstarrungszustand, in ihren Kokon zurückgezogen hatte, war sie nicht wirklich allein gewesen, denn Nimitz hatte sie begleitet. Er hatte ihr Leid geteilt und für sie gekämpft, hatte ihr Liebe und Stütze geboten und sich dem Schmerz gestellt, der über die empathische Verbindung in ihn drang. Stets hatte der Baumkater sich geweigert, sich von Lady Harrington mit in die Tiefe ziehen oder sie gehen zu lassen.
Diesmal war es anders. Diesmal hatte ihr Schmerz auch ihn überwältigt, und ein fauchender, rotäugiger Dämon mit gefletschten Zähnen kauerte sich am Eingang zum Schlafzimmer auf dem Teppich zusammen, als MacGuiness die Luke öffnete. Andrew LaFollet war durchaus kein Feigling, aber er hatte auf den Videos vom makkabäischen Putschversuch gesehen, wie Nimitz Männer tötete und verstümmelte, die Honor Harringtons Leben bedrohten. MacGuiness und er redeten sanft und beruhigend auf den ‘Kater ein, flehten fast, er möge sie durchlassen, aber sie erhielten keine Antwort. Überhaupt nichts. Nimitz war im Schmerz seiner Person verloren und in die blutrünstige Gewalttätigkeit einer früheren Entwicklungsstufe zurückgeschlagen worden.
Dann ließ glücklicherweise der Alptraum Lady Harringtons nach; der ‘Kater brach auf dem Teppich zusammen und wiegte wimmernd den Kopf hin und her. LaFollet hatte Nimitz noch nie verängstigt erlebt. Das überwältigende Vertrauen des Baumkaters in sich selbst und in seine Gefährtin stellte das grundlegende Bollwerk seiner Persönlichkeit dar. Aber nun krümmte er sich zu einem bebenden Haufen zusammen, preßte den Bauch auf den Teppich in der vergeblichen Bemühung, eine Verteidigungshaltung einzunehmen gegen eine Gefahr, die er nicht bekämpfen konnte. Seine Furcht wollte LaFollet schier das Herz zerreißen.
Der Major hatte bewegungslos dagestanden, vor Betroffenheit wie erstarrt. MacGuiness aber war an den Baumkater herangetreten und hatte Nimitz zart in die Arme geschlossen, als wäre der ‘Kater ein mißhandeltes Kind. Nimitz hatte das Gesicht gegen den Steward gepreßt und gestöhnt. Ein anderes Wort konnte dem Laut, den er von sich gegeben hatte, nicht gerecht werden. Bestürzt hatte LaFollet beobachtet, wie MacGuiness seinen verängstigten, zitternden Freund aus dem Schlafzimmer trug und ihm dabei sinnlose, beruhigende Worte ins Ohr raunte.
Das war die schlimmste Nacht von allen, dachte der Major … aber er fragte sich, was wohl noch folgen würde.
Wie lange noch, bis die Feindseligkeit, die sich auf Grayson zusammenbraute, sich mit dem Selbsthaß der Gutsherrin vereinte und sie vernichtete?
Die Andockröhre öffnete sich, und Andrew LaFollet wappnete sich, Adam Gerrick zu empfangen. Er betete, daß nicht weitere schlechte Neuigkeiten den Ingenieur an Bord gebracht haben mochten.
Honor Harrington saß vor dem leeren Terminalbildschirm. Eigentlich solltest du arbeiten , teilte ihr eine düstere innere Stimme mit, aber sie konnte einfach nicht. Sie war sich bewußt, daß Alfredo Yu
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