Honor Harrington 5. Im Exil
spürte, wie die Furcht in seinem Magen wie mit Fledermausflügeln schlug.
Es ist ganz natürlich, Angst zu haben , beruhigte er sich. Seine Zeit war gekommen, er mußte sich nun der Prüfung seines Lebens stellen und dieses Leben dem Herrn anbieten, der es ihm geschenkt hatte. Das konnte er akzeptieren, aber die körperliche Furcht war etwas, das selbst vom Glauben nicht ganz beherrscht werden konnte, auf keinen Fall aber war es ein Grund zur Scham. Gott hat dem Menschen die Furcht geschenkt, auf daß sie ihn vor der Gefahr warne , dachte Martin bei sich, und der Mensch durfte sich von dieser Furcht nicht abhalten lassen, Gottes Willen zu verrichten. Mehr verlangte der Herr nicht, und so war Martins Willkomm in den Armen Gottes sicher.
Er sah Austin Taylor an, der neben ihm saß. Der Mann war neunzehn Jahre jünger als er, seine Besorgnis offenkundig. Doch Austin hatte seinen Glauben bereits unter Beweis gestellt, indem er geholfen hatte, die Kuppel der Hexe auf Mueller zum Einsturz zu bringen. Martin hatte in der Gutswache von Burdette den Rang eines Sergeanten erreicht, bevor er wegen eines Beinbruchs, der nie richtig geheilt war, in den vorgezogenen Ruhestand geschickt wurde. Dadurch war es ihm auch verwehrt gewesen, an der Infiltration von Sky Domes teilzunehmen. Bruder Marchant hatte ihm erklärt, weshalb man nicht riskieren durfte, daß eine Verbindung zwischen Lord Burdette und einem Mann aufgedeckt wurde, der gefaßt werden konnte. Und wenn Martin ehrlich war, so mußte er sich seine Erleichterung darüber eingestehen. Er war durchaus bereit, sein Leben für den Glauben zu opfern, und doch dankte er dem Herrn, ihn von der schrecklichen Pflicht ausgespart zu haben, die Er Austin und seinen Kameraden abverlangte. Man konnte seine Seele dagegen verhärten, Männer zu töten, die im Dienste der Zofe Satans standen, aber Kinder, kleine Kinder …
Martin biß sich auf die Lippe und blinzelte Tränen der Wut davon. Gott hatte es so gewollt. Er hatte den Zeitpunkt des Einsturzes erwählt und gewußt – denn Er war allwissend –, daß diese Kinder dort sein würden. Er hatte ihre unschuldigen Seelen an Seine Brust gezogen, hatte den Schmerz und den Schrecken der letzten Sekunden ihres Lebens durch die Berührung des Allmächtigen gelindert. In ihrer Unschuld war ihnen die harte Aufgabe erspart geblieben, die Gott an Edward Martin stellte: ein menschliches Leben zu nehmen, sei es auch der Sünde verfallen, und das eigene bewußt zu opfern.
Er senkte den Blick auf seinen Ärmel und verzog das Gesicht. Er war stets so stolz gewesen auf die Burdette-Uniform, und ausgerechnet heute abend trug er eine andere, eine, deren Anblick allein in ihm tiefste Abscheu weckte. Er wußte, weshalb er die Gardeuniform der Hexe in ihren beiden Grüntönen angelegt hatte, aber schon durch das Tragen fühlte er sich befleckt, denn die Uniform repräsentierte alles Böse, das Satan auf Grayson geworfen hatte.
Er blähte die Nasenflügel in Verachtung vor den sogenannten Kirchenmännern, die sich dazu verführen ließen, den Pfad des Herrn zu verlassen, aber dann schüttelte er den Kopf, denn er empfand sofortige Reue für seinen Mangel an Nachsicht. Die meisten Ältesten waren gute, gottesfürchtige Männer, das wußte er. Reverend Hanks hatte er gesehen, als dieser den Gottesdienst in der Kathedrale von Burdette hielt, und Martin verstand, weshalb er so beliebt war. Die Tiefe seines Glaubens hatte Martin förmlich angeschrien, und er hatte einen winzigen Augenblick lang – einen winzigen, flüchtigen, aber realen Moment nur – gespürt, wie sich der Glaube des Reverends mit dem seinen verbunden und daraus etwas noch Helleres, Strahlenderes gemacht hatte. Aber damals konnte keiner von ihnen wissen, welchen Fallstrick Satan dem Reverend stellen würde. Tatsächlich war Edward Martins größte Wut für die List reserviert, die einen anständigen, gottesfürchtigen Mann wie Julius Hanks zu solchem Irrtum verleitet hatte. Wie konnte ein Mann wie er nicht erkennen, daß es Teufelswerk war, wenn man Frauen und Töchter aufwiegelte, sich gegen ihre Ehemänner und Väter zu stellen, wenn man den Glauben zurückwies, der für tausend Jahre auf Grayson bewahrt worden war und der die Welt zu Gottes eigenem Planeten machte? Welchen Zauber hatte die außerweltliche Hexe auf Hanks geworfen, daß er sogar die Todsünde übersah, außerhalb des heiligen Bundes der Ehe der Wollust nachzugeben? Eine Sünde, die sie öffentlich zugegeben hatte –
Weitere Kostenlose Bücher