Honor Harrington 5. Im Exil
mit der sie geprahlt hatte! –, als ein anderer Mann Gottes sie aufforderte, ihre Sünden zu bereuen. Wie hatte sie den Reverend geblendet, daß er nicht sah, welchen Einfluß ihr Beispiel auf andere Frauen haben würde? Die tödliche Bedrohung für ihre Seelen, die diese Versuchung darstellte?
Martin kannte mehrere Männer, die ihre Frauen und Töchter schlecht behandelten, aber das lag nur an der Fehlbarkeit des Menschen. Es war die Aufgabe anderer Männer und der Kirche, solches Verhalten zu tadeln und gegebenenfalls zu strafen, so wie sie jeden bestrafen würden, der die Schwachen quälte. Martin wäre sogar so weit gegangen zuzugeben, daß Protector Benjamin durchaus einige gute Ideen hatte. Vielleicht war es überfällig, einige der strengeren Gesetze zu lockern, die einer früheren, härteren Zeit entstammten; vielleicht sollte man Frauen gestatten, sich eine vornehme Beschäftigung zu suchen oder gar zur Wahl zu gehen. Aber sie zu zwingen, Bürden auf sich zu nehmen, zu denen Gott sie nie bestimmt hatte, und sogar Militärdienst zu leisten? Edward Martin kannte das Leben beim Militär aus eigener Erfahrung sehr gut, denn er hatte es achtzehn stolze, strapaziöse Jahre gelebt, und keine Frau konnte so etwas erdulden und so bleiben, wie Gott sie beabsichtigt hatte. Man brauchte sich nur Harrington zum Beispiel zu nehmen und sah, wie sehr das Militär sie verroht und verdorben hatte!
Nein , sagte er sich, Reverend Hanks ist getäuscht worden. Mit Tricks hatte man den alten Mann dazu gebracht, die Wechsel zu genehmigen, die der Protector verlangte. Der Reverend bewunderte Harringtons Mut – und Martin mußte zugeben: Ihre Tapferkeit war nicht zu leugnen –, aber das machte den Protector offenbar blind für ihre Sündhaftigkeit und die verderbliche Botschaft, die sie Grayson übermittelte. Selbst die besten Männer begingen Fehler, und Gott hielt sie ihnen niemals vor, wenn sie ihren Irrtum zugaben und sich Ihm wieder zuwendeten. Und das war der einzige Grund für das Opfer, das Martin an diesem Abend bringen würde, und er betete – betete von ganzem Herzen –, daß Reverend Hanks und die anderen Ältesten wieder zu Gott finden mochten, wenn die Fäulnis, die ihre Seelen vergiftete, ein für allemal beseitigt wäre.
Alle Navys veranstalteten mit Vorliebe ein erstaunliches Affentheater, wann immer ein Admiral das Flaggschiff verläßt, vermutlich, um die Wichtigkeit solch erlauchter Personen zu unterstreichen. Wenn die fragliche Admiralin zudem auch noch eine große Feudalherrin ist, so kann die Zeremonie geradezu bombastische Ausmaße annehmen.
Honor hatte das Vonbordgehen im Zeitplan einkalkuliert, und während sie die Ehrengarde inspizierte, wie man es von ihr erwarten konnte, bewahrte sie eine gewichtige Miene. Dann verabschiedete sie sich von Captain Yu. Ein unbeteiligter Beobachter hätte die Szene für eine endgültige Abschiedszeremonie halten können, dabei würde Honor in kaum sechs Stunden ins Schiff zurückkehren, aber sie machte sich nicht die Mühe, Beschwerde einzulegen.
Als sie sich in die Andockröhre schwang, verkündete die Fanfare ihren offiziellen Aufbruch. Wenigstens hielt der Trompeter die Öffnung diesmal in eine andere Richtung. Er hatte allerdings ein wenig gekränkt gewirkt, als sie ihn taktvoll darum gebeten hatte. Hier, wo niemand ihr Gesicht sehen konnte, lächelte sie, dann durchschwamm sie die Röhre. Die Waffenträger folgten ihr in ungewöhnlich großem, diskretem Abstand; das hatte etwas damit zu tun, was die Schwerelosigkeit mit ihrem albernen Kleid anstellte.
Bei diesem Gedanken verwandelte sich ihr Lächeln in das freche Grinsen eines Straßenkinds. Dann schwang sie sich in das Schwerefeld der Pinasse, und bevor sie weiterging, strich sie ihr Kleid glatt. Die Pinasse hatte ihr Leben als gewöhnliches RMN-Beiboot Typ 30 begonnen und war darauf ausgelegt, eine halbe Kompanie Marineinfanterie auf feindlichem Territorium zu landen und den Soldaten Luftunterstützung zu gewähren, sobald sie einmal unten waren. Für letztere Aufgabe war die Pinasse noch immer ausgerüstet, aber die GSN hatte entschieden, die Beibootkapazität eines Superdreadnoughts sei so groß, daß man sich erlauben könne, aus jeweils einer der Pinassen das Truppenabteil auszubauen und sie zum VIP-Transporter umzurüsten. Das Ergebnis wirkte außerordentlich opulent, und im Moment wußte Honor besonders den doppelt so breiten Gang zwischen den Sitzreihen zu schätzen. Beim Durchschwimmen der
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