Honor Harrington 5. Im Exil
Tag erst gegen die Ausschreitungen eingegriffen zu haben, als die Demonstranten bereits kopflos vor den Bauarbeitern flohen, aber wenigstens hatte Honor die Polizei nicht einsetzen müssen, um Ablehnungsbekundungen zu unterdrücken. Und sie war sehr froh, daß ihre ernsten Anweisungen an Andrew LaFollet ihre persönliche Leibwache davon abgehalten hatte, sich in die Auseinandersetzung einzumischen. Außerdem hatten die Ausschreitungen ihr einen Vorwand geliefert, von der heutigen Einweihungszeremonie jegliche Demonstranten auszuschließen.
Doch trotz dieses Verbots war das heutige Ereignis zu bedeutend, als daß ihre Feinde nicht versuchen würden, es zu stören – die Gelegenheit war einfach zu günstig, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Als sie Honors Wagen sahen, erhoben sie die Stimmen zu einem anprangernden Singsang. Honor biß die Zähne zusammen, als einige Wortfetzen zu ihr hinüberdrangen, aber irgendwie gelang es ihr, eine gleichgültige Miene zu bewahren. Dann war der Wagen an den Schreiern vorbei, und als er durch das Tor des Centers fuhr, übertönten aufbrandende Jubelrufe den herabsetzenden Singsang.
Das Center war ein kleiner Komplex aus dem Yountz-Pavillon und einem halben Dutzend anderer Gebäude, die einen kleinen See umgaben. Auf dem Gelände drängten sich nun die Menschen. Darüber flatterten farbenfrohe Banner, und eine Kapelle ließ die Klänge der Gutsherren-Hymne anschwellen. Dutzende von Polizisten – etliche vom Gut von Mayhew ausgeborgt, damit für den Anlaß genügend Sicherheitskräfte zur Verfügung standen – säumten die Zugangsstraße und hielten die jubelnden Mengen zurück. Honor bemerkte, wie sie sich unter dem Andrang des ehrlichen, fröhlichen Willkomms entspannte. Sie hob eine Hand, um sich zu bedanken, und auf ihrem Schoß richtete sich Nimitz auf. Der ‘Kater sonnte sich in seinem Ruhm, denn bei seinem Anblick schwoll die Lautstärke des Jubels noch weiter an. Honor mußte lachen, als er die Schnauze aus dem Fenster streckte und seinen Bewunderern mit den Schnurrhaaren zuwinkte.
Der Wagen fuhr bis an den Rand der Plattform vor, der vor dem Yountz-Pavillon errichtet worden war. Die gegenüber für den Anlaß aufgestellten Zuschauertribünen waren bis zum Bersten gefüllt. Honor stieg aus dem Wagen in den Tumult aus Musik und lauten Stimmen, während handverlesene Gutsgardisten eine Doppelreihe bildeten und zackig Haltung annahmen. Honors Wangen röteten sich, als die Lärmwelle über sie hinwegrollte. Selbst jetzt noch fiel es ihr schwer, von sich als der direkten Herrscherin über alle diese Menschen zu denken. Gewaltsam mußte sie den Drang niederkämpfen zu erklären, man müsse sie mit jemand wirklich Bedeutendem verwechselt haben.
Sie setzte sich Nimitz auf die Schulter, und Howard Clinkscales kam ihr entgegen, um sie in Empfang zu nehmen. Der stämmige, weißhaarige Regent stützte sich auf den Amtsstab mit dem silbernen Knauf, verbeugte sich tief, bot Honor seinen Arm und geleitete sie zwischen den Reihen der Gardisten hindurch zu den Treppen, die auf die Plattform führten. Die Kapelle gelangte mit perfektem Timing am Ende der Gutsherren-Hymne an, als sie auf die Plattform traten. Honor ließ Clinkscales’ Arm los, die Jubelrufe verstummten, und Schweigen breitete sich aus. Sie trat an das mit Fahnen drapierte Podium.
Ein anderer weißhaariger Mann, gebrechlich vom Alter und ganz in Schwarz gekleidet, das nur durch das Weiß eines Priesterkragens unterbrochen wurde, wartete dort auf sie – Reverend Julius Hanks, das geistige Oberhaupt der Kirche der Entketteten Menschheit. Vor ihm vollführte Honor einen ihrer erst jüngst gemeisterten Knickse, und Hanks reichte ihr lächelnd die Hand, dann wandte er sich der Versammlung zu und räusperte sich. Honor stellte sich an ihren Platz neben ihn.
»Meine Brüder und Schwestern, lasset uns beten«, sagte Hanks einfach. Als seine verstärkten Worte aus den Lautsprechern tönten und über die Menschenmenge drangen, verstummten auch die letzten Stimmen. »O Gott, Vater und Prüfer der Menschheit, wir danken Dir für diesen Tag und für die Gabe, die Du uns gewährst, die Frucht unserer Arbeit. Wir erflehen für uns Deinen Segen für Deine größte Prüfung, das Leben. Stärke uns durch seine Herausforderungen, und hilf uns, Deinen Willen zu erkennen und ihm zu gehorchen, wie wir es immer versuchen, so daß wir am Ende vor Dich treten mit dem Schweiß frommer Taten auf unserer Stirn und Liebe zu Dir in unserem
Weitere Kostenlose Bücher