Honor Harrington 5. Im Exil
kristallene Klacken, mit dem er es abstellte, zerbrach die Stille, und Mueller blickte schließlich seinen Gastgeber wieder an.
»Wissen Sie, er hat recht, William. Wir haben alle legalen Mittel ausgeschöpft.«
»Legal, meinen Sie?« gab der Mann zurück, der bislang geschwiegen hatte. »Nach wessen Gesetz, Mylord? Gottes oder des Menschen?«
»Mir gefällt der Klang Ihrer Worte überhaupt nicht, Bruder Marchant«, entgegnete Mueller, aber seine Stimme ließ es an Strenge vermissen, und so zuckte der Priester nur die Achseln. An Samuel Mueller zweifelte er im Grunde nicht. Der Gutsherr mochte zu berechnend sein, um seine Gefühle offen verlauten zu lassen, aber war ein Mann des Glaubens und lehnte Protector Benjamins sogenannte ›Reformen‹ ebenso entschlossen ab wie Lord Burdette und Marchant. Und sollte er auch weltliche Motive haben, nun, Gott machte sich zum Werkzeug, wen Er wollte.
Muellers Ehrgeiz und sein Groll über die Schmälerung seiner Macht würden sich gewiß als sehr nützliche Motive erweisen.
»Vielleicht nicht, Mylord«, sagte der Priester nach einem Augenblick, »und ohne Ihnen oder Lord Mackenzie gegenüber respektlos erscheinen zu wollen« – sein Tonfall legte nahe, daß diese Behauptung wenigstens zum Teil gelogen war –, »Sie müssen doch zugeben, daß Gottes Gesetz schwerer wiegt als das des Menschen?«
»Aber natürlich.«
»Wenn dann also der Mensch, ob willentlich oder im Irrtum, Gottes Gesetz verletzt, haben dann nicht andere Menschen die Pflicht, solch eine Übertretung zu korrigieren?«
»Er hat recht, Samuel.« Der Zorn trat nun deutlicher in Burdettes Stimme hervor, als er es Mackenzie hatte spüren lassen. »Sie und John können so lange über ›legale‹ Erwägungen reden wie Sie wollen, aber sehen Sie nur, was geschehen ist, als wir unsere angeblichen Rechte ausüben wollten. Die Schläger dieser Harrington-Hure hätten Bruder Marchant beinahe totgeprügelt, weil er aussprach, was Gott ihm eingab!«
Mueller runzelte die Stirn. Selbstverständlich hatte er die Presseberichte über den Vorfall gelesen und vermutete, daß nur die Intervention der Harringtoner Garde Marchant vor dem Tod gerettet hatte. Und dennoch – sie hatten es tun müssen, nicht wahr? Die Schlägergruppen, mit denen die Demonstrationen vor Harrington House beendet worden waren, hatten sich schließlich aus den Reihen von Harringtons Sky-Domes-Arbeitern rekrutiert. Das war den meisten entgangen, Mueller hingegen nicht. Er verspürte widerwilligen Respekt davor, wie geschickt Harrington die eigene Verwicklung in die Ausschreitungen verschleiert hatte. Dennoch war diese Strategie offenkundig für jeden, der wußte, wohin er zu sehen hatte, und hätte sie zugelassen, daß der Pöbel vor ihren Augen einen Priester tötete, dann würden vielleicht auch andere außer Samuel Mueller die Verzahnung entdeckt haben: Hätte Harrington damals Marchant von ihren Untertanen lynchen lassen, so wäre ihre eigene Schuld deutlich zutage getreten und hätte sie vor allen Graysons als die Agentin der Sündhaftigkeit gebrandmarkt, die sie auch tatsächlich war.
»Vielleicht«, gab er schließlich zu, »aber ich kann noch immer nicht erkennen, was wir unternehmen könnten, William. Ich bedaure zwar zutiefst, was Bruder Marchant widerfahren ist«, er nickte dem Ex-Priester zu, »aber alles ist legal abgelauf …«
»Legal!« brach es aus Burdette hervor. »Seit wann hat ein Emporkömmling wie Mayhew das Recht, einem Gutsherrn auf dessen eigenen Gut Befehle zu erteilen?«
»Jetzt halten Sie aber mal einen Augenblick die Luft an, William!« Burdette hatte mit seiner Frage einen wunden Punkt berührt, und in Mueller wallte die Wut auf – zwar nicht auf seinen Gastgeber, aber dennoch heftige Wut –, und der Abscheu verlieh seiner Stimme mehr Schärfe. »Das war nicht nur der Protector, sondern die komplette Sakristei und der Rat! Was das betrifft, so unterstützten die allermeisten Schlüsselträger die Entscheidung, als Reverend Hanks uns den Erlaß vorlegte. Ich stimme Ihnen zu, daß Mayhew darauf gedrängt hat, aber er ist zu gut gedeckt, als daß wir daraus einen offenen Streit über die Privilegien der Gutsherrn vom Zaun brechen könnten. Das wissen Sie doch so gut wie ich!«
»Und warum haben die Schlüssel ihn unterstützt?« gab Burdette zurück. »Das will ich Ihnen sagen: aus dem gleichen Grund, weshalb wir letztes Jahr dasaßen wie Eunuchen ohne Mumm in den Knochen und uns von Mayhew dieses ungläubige
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