Honor Harrington 5. Im Exil
der Glaube bot, nach dem Trost durch die Welt, wie er sie von seinem Vater geerbt hatte und seinen Söhnen vermachen wollte. In ihm stieg bittrer Haß gegen Benjamin Mayhew und Honor Harrington auf, die diese Welt verzerrten und veränderten, und das verstärkte die verführerische Macht, die Burdettes leise, feurige Worte ausübten.
»Was verlangen Sie von mir?« fragte er ruhiger, und Burdette lächelte ihn zur Antwort an. Er hielt Marchant das Glas hin, und der amtsenthobene Priester füllte es wieder. Dann ließ sich der Gutsherr in die Sesselpolster zurückfallen und antwortete in ruhigem, überzeugendem Ton:
»Nichts, Samuel. Im Moment gar nichts. Aber denken Sie nach: Mayhew setzte sich über ein Jahrhundert der Präjudiz hinweg, um die Macht zu ergreifen. Er spuckt auf unsere Regierungsform und will unsere von Gott bestimmte Lebensart umwälzen – welche Treue schulden wir solch einem Mann denn?« Mueller musterte ihn schweigend, und Burdette warf Marchant einen raschen Seitenblick zu, bevor er in seinem leisen, beschwörenden Ton fortfuhr:
»Wir schulden ihm nichts , Samuel – aber Gott verdanken wir alles . Der Herr darf zu Recht von uns erwarten, daß wir wenigstens versuchen, die Welt zu erhalten, auf der Sein Volk eintausend Jahre lang nach Seinem Gesetz gelebt hat. Und ganz gleich, wie sehr Mayhew das Volk auch getäuscht hat, so daß es ihm nun auf den Weg der Sünde folgt, irgendwo tief in ihrem Innern wissen die Menschen das genausogut wie wir. Sie brauchen nur Vorbilder, Samuel. Nur eine Erinnerung daran, was der Herr von gottesfürchtigen Menschen verlangt – und was mit jenen geschieht, die sich der Sündhaftigkeit ergeben.«
»Was für eine Erinnerung?« fragte Mueller halb flüsternd, und als Burdette lächelte, erbebte tief in ihm eine merkwürdige Begierde – das beinahe furchtsame Gefühl, daß die Waffe in seiner Reichweite lag, mit der er die Welt, die er verstand, wiederherstellen konnte.
14
Die Pinasse fiel dem Planeten entgegen, und Honor lehnte sich mit schwachem, zufriedenem Lächeln zurück. Heute abend war sie nicht in Uniform und ungeheuer froh, dem Affenanzug dieses eine Mal entkommen zu sein. Nach einem T-Jahr der kulturellen Anpassung war sie endlich zu dem Schluß gekommen, daß graysonitische Frauengewänder nicht nur bequemer seien als die Navyuniform der Graysons, sondern daß sie ihr Kleid sogar einer Uniform der RMN vorzog. Vor allem aber gehörte kein Schlips dazu!
Bei dem Gedanken mußte sie lachen und fuhr Nimitz mit den Fingern am Rückgrat entlang. Der ‘Kater wölbte den Rücken und gab sich genüßlich der Liebkosung hin. Honor spürte seine zufriedene Erwartung. Nimitz mochte Benjamin Mayhew und seine Familie, die ihn wiederum abgöttisch liebten. Sie verdankten Nimitz – und natürlich Honor – ihr Leben, und während Honor bei den Dankbarkeitsbekundungen stets unbehaglich zumute war, sonnte Nimitz sich schamlos darin. Wenn er zu Besuch kam, gab es stets soviel Sellerie wie er nur wollte, und Rachel, Theresa und Jeanette, die drei ältesten Kinder der Mayhews, betrachteten ihn als das süßeste und knuddeligste Kuscheltier im ganzen Universum.
Die Leibwächter des Protectors waren förmlich zusammengeschreckt, als dessen Töchter Nimitz’ geschmeidige Gewandtheit und Freude am Spielen entdeckten, denn sie alle hatten auf dem Überwachungsvideo aus dem Palast gesehen, wie Nimitz den Attentätern mit blutrünstiger Effizienz die Kehlen zerriß. Honor hingegen hatte überhaupt keine Besorgnis empfunden. Baumkatzen waren robust genug, um sogar alles zu überleben, was Zweijährige auszuhecken vermochten, und sie liebten das unkomplizierte Entzücken, das sie den Emotionen von Menschenkindern entnehmen konnten. Zu beobachten, wie die Mayhewtöchter quietschend mit Nimitz herumtobten, war für Honor fast genauso, als könnte sie sich selbst dabei sehen, wie sie ihn in ihrer Kindheit entdeckte, wenngleich den kleinen Mayhews natürlich das Band der Adoption fehlte. Sie hatte sich mittlerweile damit abgefunden, daß sie Nimitz bei Besuchen im Palast des Protectors so lange abzutreten hatte, wie die Kinder aufbleiben durften.
An diesem Abend war der Hintergrund ihres Besuches ernster als bei den meisten anderen Gelegenheiten, erinnerte sie sich nüchtern. Seit über einem Monat hatte sie das Flaggschiff nicht mehr verlassen, aber wenigstens war sie in der Lage gewesen, sich über das Geschehen am Boden auf dem laufenden zu halten. Greg Paxton war ihr
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