Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
Steilman, dann schritt er zügig den Gang hinab. Sekunden später knallte er ein Wartungsluk hinter sich zu und verschwand in dem Labyrinth aus Kriechgängen, die der Instandhaltung der Schiffssysteme dienten. Tatsumi beugte sich besorgt über Aubrey.
»Na, du siehst ja ziemlich übel aus«, brummte der Sanitäter und kniete sich neben ihn. Aubrey zuckte vor Schmerz zusammen, als Tatsumi mit sanften Fingern die blutende Nase berührte. »Mist. Der Hundesohn hat sie dir gebrochen«, zischte er, blickte sich rasch im Gang um und schob ihm einen Arm unter die Schultern. »Komm schon, mein Junge. Wir müssen dich ins Lazarett schaffen.«
»W-was ist denn mit … Commander Tschu?« brachte Aubrey hervor. Er mußte durch den Mund atmen, der sich klebrig anfühlte, und er sprach mit belegter Zunge. Irgendwie gelang es ihm, sich mit Tatsumis Hilfe taumelnd zu erheben.
»Was soll mit ihm sein? Er steckt bis zu den Ellbogen in Fusion Eins!«
»Du meinst …« stieß Aubrey hervor, und Tatsumi zuckte die Achseln.
»Irgendwas mußte ich ihm doch sagen, Wanderman. Der Kerl wollte dich abmurksen.«
»Ja.« Aubrey wischte sich das Blut vom Kinn, aber der klebrige Film entstand sofort wieder von Neuem. »Ja, ich schätze, das wollte er. Danke.«
»Sag nicht danke zu mir«, meinte Tatsumi. »Ich seh’s nicht gern, wenn einer verletzt wird, aber gegen Steilman stehst du alleine. Das ist ein ganz fieser Hurensohn, und ich will nichts mit ihm zu tun haben.«
Aubrey blickte den Sanitäter an, der ihm zum Lift half, und bemerkte die Furcht in dessen Gesicht und Stimme. Er konnte es ihm nicht verübeln. »Du meinst, du hast nichts gesehen«, sagte er schließlich.
»Ganz genau. Ich bin vorbeigekommen und hab’ dich da liegen sehen. Was anderes gesehen oder gehört hab’ ich nicht.« Tatsumi wandte den Blick ab und schüttelte entschuldigend den Kopf. »He, es tut mir leid, ja? Ich hab’ genug eigene Sorgen, und wenn Steilman mich auf seine schwarze Liste setzt, dann …« Er zuckte mit den Schultern, und Aubrey nickte.
»Ich versteh’ schon«, murmelte Aubrey. Tatsumi verfrachtete ihn in den Lift und gab den Bestimmungscode für das Lazarett ein. Aubrey tätschelte ihm schwach den Arm. »Mach’ dir ja keine Vorwürfe«, sagte er undeutlich. »Möchte nur wissen, warum er mich so haßt.«
»Du hast ihn blamiert«, erklärte Tatsumi. »Steilman ist nicht ganz dicht, aber er sieht es so, daß du ihn damals im Schlafsaal provoziert hast, und dann hat die Bosun ihn gezwungen, klein beizugeben. Das ist nicht deine Schuld, aber er glaubt, er hätte deswegen ein Hühnchen mit dir zu rupfen. Ich schätze, deine Versetzung auf die Brücke, die du dem Ersten zu verdanken hast, ist der einzige Grund, warum er dich nicht schon längst fertiggemacht hat. Wenn ich du wäre, würde ich mich vom Maschinenraum fernhalten, Wanderman. Ganz fern.«
»Kann mich nicht für immer vor ihm verstecken.« Aubreys Knie gaben nach, und Tatsumi mußte ihn stärker stützen, damit er nicht stürzte. »Dafür ist das Schiff nicht groß genug. Wenn er will, dann findet er mich auch.« Er schüttelte den Kopf und fuhr zusammen, als die Bewegung den Schmerz in seinem Schädel neu aufflammen ließ. »Ich muß mit jemandem darüber sprechen. Muß sehen, was ich tun kann.«
»Ich würde dir gern helfen, aber auf mich kannst du nicht zählen«, sagte der Sanitäter leise. »Hast du gehört, was er zu mir gesagt hat?«
»Pulverkopf?«
»Ja. Verstehst du, ich bin vor ein paar Jahren auf Sphinxgrün gewesen. Ich war ganz unten. Absolut beschissen. Jetzt bin ich wieder sauber, aber ich hab’ genug schwarze Flecken in meiner Akte, daß ich für die nächsten fünfzig Jahre nicht mehr werde als Zwoter Klasse. Du hast ja gehört, was die Bosun zu mir gesagt hat, und bei den Offizieren habe ich schon gar keine Freunde. Außerdem hab’ ich Steilman und seinen Haufen am Hals, und wahrscheinlich verschwinde ich eines Tages durch eine Abfallschleuse.«
»Warum hat man dich nicht entlassen?« fragte Aubrey nach kurzem Zögern.
»Weil ich trotz allem meine Sache gut mache, schätze ich«, antwortete Tatsumi schulterzuckend. »Der Doktor hat sich für mich stark gemacht, nachdem sie mich beim Schnüffeln erwischt hatten. Das hat mich zwar nicht vor sechs Monaten Bunker bewahrt und auch nicht vor der vorgeschriebenen Therapie, aber wenigstens mußte ich die Uniform nicht ausziehen.«
Aubrey nickte verstehend. Er begriff, wovon Tatsumi sprach, und konnte es dem
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