Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
die Freiheitler eine fürchterliche Niederlage erlitten und im Unterhaus so gut wie jede Bedeutung eingebüßt. Im Oberhaus mußte man zwar nach wie vor mit ihnen rechnen, doch selbst dort waren viele frühere Sympathisanten zu Cromartys Zentralisten übergelaufen. Diejenigen, die der Parteilinie die Treue hielten, behandelten diese abtrünnigen Opportunisten mit aller Verachtung, die Verrätern an der Ideologie zukam, aber der Verlust ihrer Unterstützung war eine Realität, der man sich stellen mußte. Das Schwinden ihrer Machtbasis hatte die Freiheitler noch dichter an die Konservativen gebunden – ein außerordentlich unnatürlicher Zustand, der nur deswegen erträglich blieb, weil beide Parteien, jede aus eigenen Gründen, der augenblicklichen Regierung und all ihren Gefolgsleuten mit Verbitterung und persönlichem Groll gegenüberstanden.
Für Klaus Hauptmann hatte sich diese Allianz jedenfalls als unschätzbar wertvoll erwiesen. Ein kluger Investor war er schon immer gewesen und hatte jahrelang persönliche (und über besonnene Wahlkampfspenden auch finanzielle) Bande zum gesamten politischen Spektrum geknüpft. Nun, da die Freiheitler und Konservativen sich als in die Ecke gedrängte politische Minderheit betrachteten, war seine Unterstützung für beide Parteien um so wichtiger. Und während sich die Opposition größtenteils nur zu deutlich bewußt war, wieviel Schlagkraft sie eingebüßt hatte, scharte sich Cromartys Meute nervös zusammen, weil sie nicht übersehen konnte, wie knapp ihre Mehrheit im Oberhaus blieb. Mittlerweile hatte Hauptmann gelernt, mit seinem Einfluß bei den Freiheitlern und Konservativen ganz erstaunliche Resultate zu erzielen.
Und diesen Einfluß beabsichtigte er auch an diesem Abend auszuüben.
»Das ist alles, was man uns geben will!« stellte er grimmig fest. »Angeblich ist man zu mehr außerstande. Keine zusätzlichen Kampfverbände, nicht einmal eine einzige Zerstörerflottille. Vier Schiffe bieten sie uns an – vier ! Und das sind noch ›bewaffnete Handelskreuzer‹!«
»Nun beruhigen Sie sich, Klaus!« erwiderte Erika Dempsey in ironischem Ton. »Ich gebe Ihnen ja recht, daß vier Schiffe keinen großen Unterschied bedeuten werden, aber wenigstens legt die Navy nicht die Hände in den Schoß. Wenn ich bedenke, unter welchem Druck die Admiralität steht, bin ich überrascht, daß man so schnell überhaupt etwas zuwege gebracht hat. Und es ist gewiß richtig, sich auf Breslau zu konzentrieren. Allein in den letzten acht Monaten hat mein Kartell in diesem Sektor neun Schiffe verloren. Wenn die Navy auch nur das geringste gegen die Piraten dort ausrichtet, bewirkt sie immerhin etwas .«
Hauptmann schnaubte. Im Stillen gab er Erika recht, aber das konnte er nicht zugeben, bevor er den Köder ausgelegt hatte – vor Houseman. Hätte sie sich doch nicht in das Gespräch eingemischt! Das Dempsey-Kartell wurde nur vom Hauptmann-Kartell übertroffen, und Erika, die es seit sechzig T-Jahren leitete, war ebenso klug wie attraktiv. Selbst Hauptmann, der nur vor wenigen Menschen Respekt hatte, respektierte sie über alle Maßen, aber im Augenblick benötigte er nichts weniger als ihre süße Stimme der Vernunft. Zum Glück schien Houseman für Erikas Argumente nicht besonders empfänglich zu sein.
»Ich fürchte, ich muß Klaus recht geben, Ms. Dempsey«, sagte er bedauernd. »Vier bewaffnete Handelsschiffe werden nicht viel ausrichten können, das ergibt sich allein schon aus den Verhältnissen. Sie können immer nur an einer Stelle sein, und es sind alles andere als Wallschiffe. Jedes fähige Piratengeschwader könnte sie vernichten, und im Breslau- und im Poznan-Sektor gibt es momentan wenigstens drei abtrünnige Regierungen. Sie alle rekrutieren Freibeuter, die unseren imperialistischen Abenteuern alles andere als freundlich gegenüberstehen.«
Erika Dempsey rollte die Augen. Mit den Freiheitlern wußte sie nur wenig anzufangen, und Housemans letzter Satz stammte direkt aus deren ideologischer Bibel. Darüber hinaus betrachtete sich Houseman trotz seines Widerstandes gegen den Krieg als Militärexperte. Jegliche Gewaltanwendung verurteilte er als das Resultat von Dummheit und fehlgeschlagener Diplomatie, aber dennoch faszinierte ihn das Thema – allerdings immer aus sicherer Entfernung, versteht sich. Houseman behauptete immer wieder gerne, sein Interesse entspringe lediglich dem Umstand, daß ein friedliebender Diplomat die Seuche, die er bekämpfe, wie ein Arzt studieren
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