Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
müsse, aber Hauptmann bezweifelte, daß er damit irgend jemanden außer seinen Mitideologen zu täuschen vermochte. In Wahrheit glaubte Reginald Houseman fest: Wäre er einer dieser bösen, militaristischen Eroberer wie Napoleon Bonaparte oder Gustav Anderman gewesen – was Gott sei dank nicht der Fall war –, so hätte er sich besser geschlagen als sie. Seine Studien der Militärgeschichte hatten ihm nicht nur die düstere Befriedigung verschafft, sich aus hehrsten Motiven an etwas Bösem, Dekadentem zu ergötzen, sondern auch einen gewissen Status als einer der ›Militärexperten‹ innerhalb der Freiheitspartei. Daß die meisten Offiziere der Königin, unabhängig von der Teilstreitkraft, ihn als Experten in Sachen Feigheit betrachteten, bekümmerte ihn nicht im geringsten. Vielmehr interpretierte er ihre Verachtung als Feindseligkeit, die der eigenen Furcht entsprang, als Zeichen, wie genau er mit seiner energischen Kritik an den bestehenden Zuständen das Militär bis ins Mark traf.
»Mr. Houseman, im Augenblick bin ich nur zu gern bereit, mich auf jedes ›imperialistische Abenteuer‹ einzulassen, wenn es bedeutet, daß nicht noch mehr meiner Angestellten getötet werden«, erklärte Dempsey sehr kühl.
»Ich verstehe Ihren Standpunkt«, versicherte Houseman ihr, offenbar ohne Dempseys unverhohlene Verachtung wahrzunehmen. »Leider wird der Plan der Navy nicht funktionieren. Ich bezweifle sehr, daß selbst Edward Saganami – oder jeder andere Admiral, der einem in den Sinn kommen könnte –, imstande wäre, mit solch schwachen Kräften auch nur das Geringste auszurichten. Das wahrscheinlichste Ergebnis wäre, daß der Kommandeur, den die Navy mit dieser Mission beauftragt, seine vier Schiffe verliert.« Er schüttelte traurig den Kopf. »In den vergangenen drei T-Jahren hat die Navy sehr oft kurzsichtig gehandelt, und ich fürchte, hier stehen wir einem weiteren Beispiel dafür gegenüber.«
Dempsey schaute ihm einen Moment lang unverwandt ins Gesicht, dann schnaufte sie und stolzierte davon. Hauptmann sah ihr erleichtert hinterher und wandte sich wieder an Houseman.
»Ich fürchte, ich muß Ihnen recht geben, Reginald. Trotzdem, mehr als diese vier Schiffe werden wir nicht bekommen. Unter den gegebenen Umständen wäre es also das Beste, die Erfolgsaussichten des Unternehmens so sehr zu optimieren wie nur möglich.«
»Wenn die Admiralität auf dieser Dummheit besteht, können wir wohl nicht viel ausrichten. Man schickt eine grotesk unterlegene Streitmacht direkt in die Höhle des Löwen. Jeder, der bei klarem Verstand ist und nur halbwegs geschichtskundig, kann prophezeien, daß diese Schiffe verloren gehen werden.«
Für einen kurzen Moment verspürte Hauptmann den überwältigenden Drang, den jüngeren Mann zu ohrfeigen und ihm ein wenig Verstand einzuprügeln. Dieses Bedürfnis hatten schon andere vor ihm verspürt; leider schien es auch beim letztenmal nichts genutzt zu haben. Hauptmanns Plan sah indes nicht vor, daß er seine Abscheu so offen zeigte wie Erika Dempsey.
»Das ist mir durchaus klar«, sagte er daher. »Zweifellos haben Sie recht. Ich würde nur gern das Maximum aus diesen Schiffen herausholen, bevor sie vernichtet werden.«
»Kaltblütig, aber vermutlich realistisch, fürchte ich«, seufzte Houseman, und Hauptmann unterdrückte ein Zähnefletschen. Bei all seiner frömmlerischen Ablehnung von ›Militarismus‹ kümmerte Houseman wie viele Theoretiker der Gedanke an die Verluste von Menschenleben erheblich weniger als die ›Militaristen‹, die er so sehr verachtete. Schließlich und endlich hatten die Menschen, die in den Schiffen starben, sich ja alle freiwillig zum Myrmidonendienst gemeldet, und man konnte bekanntlich kein Omelett backen, ohne ein paar Eier zu zerschlagen. Nach Hauptmanns Beobachtungen neigten diejenigen, die tatsächlich andere Menschen in den Tod schicken mußten, zu erheblich sorgfältigeren Erwägungen als Lehnstuhlstrategen. Zu seinem Bedauern teilte Hauptmann die Prognose Housemans über das wahrscheinliche Schicksal der Q-Schiffe, aber nun sah er wenigstens die Knöpfe in Reichweite, die er drücken wollte.
»Da haben Sie wohl recht«, seufzte er. »Ohne einen fähigen Offizier auf dem Kommandosessel ist die Chance minimal, daß die Schiffe vor ihrer Vernichtung etwas ausrichten. Gleichzeitig können wir von der Admiralität wohl kaum erwarten, einen fähigen Offizier mit diesem Himmelfahrtskommando zu betrauen – ganz besonders, wenn es sich
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