Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
können, wie also konnte sie es wagen, ihm gegenüber diesen kalten, schneidenden Ton anzuschlagen?
Trotzdem hatte sie es gewagt, und vor Zorn hatte er die Samthandschuhe abgelegt. Harrington wußte damals noch nicht, daß sein Kartell Hauptanteilseigner an der Praxis ihrer Eltern war. An sich hätte es nicht mehr als einer beiläufigen Andeutung bedürfen sollen, welche Folgen es haben könnte, wenn sie ihn in die Defensive zwang und er sich und seinen guten Namen auf inoffiziellen Wegen verteidigen mußte, doch Harrington weigerte sich nicht nur, vor ihm zurückzuweichen, sie übertrumpfte seine Drohung mit einer weitaus tödlicheren.
Diese letzte Drohung hatte Harrington unter vier Augen ausgesprochen, und das war der einzige beruhigende Aspekt der ganzen Angelegenheit. Harrington hatte gedroht, ihn mit eigener Hand zu töten, sollte er es wagen, sich in irgendeiner Weise gegen ihre Eltern zu wenden.
Trotz seiner brennenden Wut verspürte Hauptmann selbst jetzt noch einen kalten Schauder, wenn er an ihre eiskalten, mandelförmigen Augen dachte. Sie hatte es ernst gemeint. Das hatte er vom ersten Moment an gewußt, und vor drei Jahren hatte Harrington unter Beweis gestellt, wie ernst diese Drohung einzustufen war, denn sie hatte im Duell nicht nur einen, sondern zwei Männer getötet – und einer der beiden war ein professioneller Duellant gewesen. Wenn Hauptmann noch einen Anstoß gebraucht hätte, sehr, sehr behutsam gegen diese Frau vorzugehen, dann hätten diese beiden Duelle ihm genügt.
Der Haß auf Harrington war eines der ganz wenigen Dinge, die Houseman und ihn verbanden. Harrington hatte Housemans diplomatische Laufbahn auf dem Gewissen. Sie hatte sich nicht nur frech seinem Befehl widersetzt, ihr Geschwader aus dem Jelzin-System zurückzuziehen und den Planeten Grayson durch Handlanger Havens erobern zu lassen, sie hatte ihn niedergeschlagen, als er versuchte, durch Einschüchterung ihren Gehorsam zu erzwingen. Vor Zeugen hatte sie ihm eine Ohrfeige versetzt, die ihn von den Füßen riß, und die schneidende Verachtung, die sie danach auf ihn ausgegossen hatte, hatte den Nagel einfach zu sehr auf den Kopf getroffen, als daß die Sache sich vertuschen ließ. Mittlerweile wußte jeder, auf den es ankam, was genau sie an jenem Tag zu Houseman gesagt und mit welch kalter, schneidender Präzision sie seine Feigheit bloßgelegt hatte. Zwar rügte man sie später offiziell, einen Gesandten der Krone niedergeschlagen zu haben, aber dieser Makel verblaßte durch die gleichzeitige Erhebung in den Ritterstand zur Bedeutungslosigkeit – und dazu kamen die Ehren, mit denen das Volk von Grayson die Retterin des Planeten überhäufte.
»Ich kann nicht glauben, daß es Ihnen ernst damit ist.« Housemans steife, kalte Stimme holte Hauptmann in die Gegenwart zurück. »Um Himmels willen! Diese Frau ist doch nicht besser als eine gewöhnliche Mörderin! Wissen Sie denn nicht mehr, wie sie North Hollow zu diesem Duell getrieben hat? Im Oberhaus vor dem Plenum hat sie ihn gefordert und wie einen Hund niedergeschossen, als seine Waffe schon leer war! Sie können Harrington doch nicht ernsthaft für irgendein Kommando in Erwägung ziehen, wo wir endlich erreichen konnten, daß sie die Uniform der Königin ablegen mußte!«
»Selbstverständlich kann ich das.« Hauptmann bedachte den jüngeren Mann mit einem kalten, schmallippigen Lächeln. »Nur weil sie eine Närrin ist – eine gefährliche Närrin – besteht doch noch lange kein Grund, sie nicht zu unserem Vorteil einzusetzen. Denken Sie einmal darüber nach, Reginald. Was Harrington sonst auch sein mag, im Gefecht ist sie eine effektive Befehlshaberin. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, daß man sie zwischen den Schlachten an die Leine legen muß. Sie ist so arrogant wie die Sünde, und ich bezweifle, daß sie je auch nur versucht hat, ihr Temperament zu zügeln. Also seien wir offen und sagen deutlich, daß Honor Harrington alle Merkmale einer krankhaften Massenmörderin aufweist! Aber sie weiß zu kämpfen . Das ist vielleicht das einzige, wofür sie gut ist, aber wenn jemand den Piraten wirklich schaden kann, bevor die sie töten, dann ist es Honor Harrington.«
Den letzten Satz sprach er mit seidenweicher Stimme, nur das Wort ›töten‹ betonte er ein wenig härter. In Housemans Augen blitzte der Haß auf. Keiner von beiden würde es je zugeben, aber das Signal war übermittelt, die Botschaft verstanden, und Hauptmann beobachtete, wie der Ökonom tief
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