Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
dem Kontinent Afrika auf Alterde, und wenn Harrington von den örtlichen Behörden verlangte, nach den Deserteuren zu fahnden, so wäre es ein leichtes, die auffälligen Fremden unter den Einheimischen aufzuspüren.
Aber vor dem Aufbruch wollte Steilman noch mit Wanderman und Lewis abrechnen. Das wäre nicht nur sein Abschiedsgeschenk an die Navy, sondern auch an diese selbstgerechte Hexe von MacBride. Jawohl, und auch an Captain Honor Harrington, sollte sie doch in der Hölle schmoren!
»Hör gut zu«, sagte er schließlich, »ich bin ja bereit, mich für ein Weilchen bedeckt zu halten. Soll die Alte doch denken, sie hätte mich eingeschüchtert – Mensch, das kratzt mich doch überhaupt nicht! Aber von euch sollte keiner auf die Idee kommen, mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.« Steilman bemerkte die Furcht in ihren Augen, und der häßliche Kern seines Wesens badete sich darin. »Ich werde Lewis fertigmachen und diesen kleinen Scheißer Wanderman mit bloßen Händen umbringen. Davon hält mich niemand ab, am wenigsten ihr .« Er bleckte die Zähne und schlug mit einer fleischigen Faust auf den Tisch. »Ich will von der Scheiße nichts mehr hören, und wenn ich feststelle, daß ich von einem von euch Hilfe brauche, dann könnt ihr euch lieber gleich darauf einstellen, mir diese Hilfe zu geben. Denn wenn ihr mir quer kommt, dann sind weniger Leute in dieser Kapsel, wenn sie landet, habt ihr mich verstanden?«
Stennis schluckte und senkte den Blick. Dann nickte er heftig. Er strahlte fast in sichtbaren Wellen Furcht aus. Steilmans Blick glitt über den Rest, und einer nach dem anderen nickten sie ebenfalls; alle außer Coulter, der den Blick mit einem dünnen, kalten, zustimmenden Lächeln erwiderte.
»Gut.« Wie ein Stein fiel dieses einzelne Wort in das lastende Schweigen, dann nahm Randy Steilman den Stapel auf und teilte die nächste Karte aus.
26
Bürger Commander Caslet stieß beim Anblick der anlegenden Pinasse ein tiefes Seufzen aus. Zwar waren seine Order, unter allen Umständen verdeckt zu agieren, durchaus vernünftig, manchmal jedoch erwiesen sie sich als außerordentlich hinderlich, wie jetzt: selbst das diplomatische Korps der Volksrepublik durfte nicht wissen, daß Bürger Admiral Giscard in der Konföderation operierte. Die Botschafter und Handelsattachés, die überall im silesianischen Raum postiert waren, bildeten integrale Bestandteile des havenitischen Agentennetzes, aber die meisten von ihnen hatten ihre Bestallungen noch vom alten Regime erhalten. Auf die Diplomaten, die in Sternennationen wie die Solare Liga entsandt waren, hatte das Komitee für Öffentliche Sicherheit den eisernen Besen bereits angewendet, aber Silesia war zu abgelegen, zu weit von den entscheidenden Arenen diplomatischer Manöver entfernt, als daß der Säuberung die gleiche Priorität zugekommen wäre. Deshalb traute die Systemsicherheit ihrem Botschaftspersonal innerhalb der Konföderation gerade so weit wie unbedingt erforderlich – was von der SyS, wie Caslet einräumen mußte, vermutlich gar nicht unklug war. Immerhin waren sechs erfahrene Botschafter aus Legislaturistenkreisen zu den Manties übergelaufen – allerdings erst, nachdem die SyS bis auf wenige Ausnahmen sämtliche ihrer Angehörigen wegen »Verrat am Volke« hingerichtet hatte.
Dieses vorhersehbare Wechselspiel von Ursache und Wirkung stellte nach Caslets Einschätzung eines der ungeheuerlicheren Beispiele für den Irrsinn des revolutionären Eifers dar und machte ihm zudem das Leben schwer. Der diplomatische Dienst stellte nachrichtendienstliche Ressourcen bereit, derer Caslet sich nicht bedienen konnte, ohne seine Gegenwart und vermutlich auch Einzelheiten seiner Mission offenzulegen; das jedoch war verboten, weil eben diese nachrichtendienstlichen Quellen seinen Vorgesetzten suspekt erschienen. Nur Bürger Admiral Giscard durfte auf Informationen zurückgreifen, die »unzuverlässige« Diplomaten eruiert hatten, und auch das erst, nachdem die Daten durch einen Botschafter gefiltert worden waren, der nach dem Umsturz eingesetzt worden war.
Jasmine Haines, Handelsattaché im Schiller-System, stand viel zu weit unten in der Hierarchie, um dazu ermächtigt zu sein. Deswegen konnte Caslet sie nur benutzen, um via Diplomatenkurier verschlüsselte Depeschen an Giscard versenden zu lassen, aber er durfte ihr weder sagen, was in diesen Depeschen stand, noch seine Identität preisgeben, und schon gar nicht um spezifische Angaben
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