Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
dann sah er dem Sanitäter ins Gesicht. »Paß für mich auf sie auf, ja? Ich will, daß jemand bei ihr ist, wenn sie aufwacht.«
»Wo willst du denn hin?« fragte Tatsumi unbehaglich.
»Ich muß jemandem eine Lektion erteilen«, antwortete Aubrey ruhig. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Lazarett.
34
»Verdammte Scheiße, Randy! Hast du den Verstand verloren, oder was?« Ed Ilyushin hatte sich näher gebeugt und mit so leiser Stimme gesprochen, daß niemand in der großen, halbleeren Messe ihn hören konnte.
»Ich?« Randy Steilman grinste selbstgefällig. »Ich habe nicht die leiseste Idee, wovon du redest.«
»Wovon ich rede? Ich rede über das, was Lewis zugestoßen ist!« zischte Ilyushin. »Verdammt noch mal, Showforth und Coulter haben sie schon verhaftet – glaubst du etwa, die werden uns nicht anschwärzen, oder was?«
Al Stennis nickte nervös und vergewisserte sich blinzelnd, daß wirklich niemand in Hörweite war. Was allerdings ohnehin nicht sehr wahrscheinlich gewesen wäre, denn Steilman und seine Kumpane waren bei ihren Crewkameraden alles andere als beliebt, und man hielt sich von ihnen fern, wo es nur möglich war.
»Showforth weiß einen Scheiß darüber«, entgegnete Steilman, »und das wird sie auch sagen. Was Jackson betrifft – verdammt, es war schließlich seine Idee.« Diese Aussage entsprach nicht ganz der Wahrheit, kam ihr jedoch nahe. Steilman war zu der Ansicht gekommen, daß das allgemeine Hochgefühl über die Siege der Wayfarer bei allen die Wachsamkeit verringert hatte und deswegen der Zeitpunkt ideal sei, um mit Lewis abzurechnen. Der Vorschlag, wie man verfahren könnte, war von Coulter gekommen, und Coulter hatte schließlich auch Lewis’ SUT mit den notwendigen Dateien gespickt. »Und Jackson hat Mumm, anders als ihr Memmen. Aber selbst wenn nicht, wie soll er uns denn verpfeifen, ohne versuchten Mord zuzugeben?«
»Aber wenn man sie genug unter Druck setzt, dann verraten sie vielleicht …« begann Stennis aufgeregt und schloß den Mund mit deutlichem Klacken, als Steilman ihn wütend anfunkelte.
»Darüber sprechen wir nicht außerhalb der Kabine«, erklärte der stämmige Energietechniker leise. »Niemand wird ihnen dazu Fragen stellen, weil niemand davon weiß . Und was das Unter-Druck-setzen angeht, Showforth und Coulter sind ja nicht von gestern. Die sind beide schon im Bunker gewesen, und die brechen nicht zusammen, nur weil jemand hinter ihnen die Türe zuschmeißt. Und wie zum Teufel will man sie ohne Spuren überhaupt unter Druck setzen?«
»Woher willst du so genau wissen, daß es keine Spuren gibt?« fragte Ilyushin etwas ruhiger. »Warum hat man die beiden verhaftet – nur die beiden – ohne Spuren?«
»Verdammt, allein die Tatsache, daß sie alle beide festgenommen haben, ist doch der beste Beweis, daß Coulter keine Spuren hinterlassen hat !« schnaubte Steilman. »Jeder weiß, daß die beiden mit uns in einer Kabine sind, oder? Und jeder weiß, daß ich Streit mit Lewis hatte, richtig?« Die beiden anderen nickten, und Steilman zuckte mit den Schultern. »Na seht ihr, und deswegen verhört man sie, ihr blöden Arschlöcher. Die haben nicht mehr in der Hand als ein mögliches Motiv. Wenn die wirklich Spuren gefunden hätten, um jemanden etwas nachzuweisen, dann wüßten sie doch auch, wen sie sich greifen müssen, oder? Und deshalb brauchen Showforth und Jackson nur durchzuhalten, und niemand kann uns das geringste anhaben.«
»Ich weiß nicht«, begann Stennis zweifelnd. »Für mich sieht es so aus …«
Der Umwelttechniker brach erstaunt ab, als jemand auf dem Platz neben Steilman ein Tablett auf den Tisch schob. Der Energietechniker wandte den Kopf, den Mund bereits zu einer verächtlichen Bemerkung verzogen, mit der er den Störenfried davonjagen wollte. Als er jedoch sah, wer sich da neben ihn gesetzt hatte, riß er die Augen auf und starrte ihn ungläubig an. Dann stieg ihm das Blut ins Gesicht, während Aubrey Wanderman ihn spöttisch angrinste.
»Was zum Teufel willst du denn hier, Rotznase?« knirschte er drohend, und Aubrey grinste noch spöttischer. Es fiel ihm schwer, aber längst nicht so schwer, wie er geglaubt hätte.
»Ich dachte, ich esse mal was«, antwortete er. »Mein Wachplan hängt gewissermaßen in der Luft – ich bekam ein paar Tage frei, damit ich Zeit für eine Freundin im Lazarett habe –, und deshalb muß ich essen, wann immer ich Zeit dazu finde.«
Steilman kniff die Augen zusammen. Etwas stimmte hier
Weitere Kostenlose Bücher