Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
Wenn die Admiralität andererseits auf die Idee mit der Flottenstation eingeht, zahlt man uns die Prisengelder vielleicht trotzdem aus. Ich brauche das Geld nicht, aber ich werde auf jeden Fall erwähnen, daß den Besatzungsmitgliedern diese Summe zusteht. Sie haben es sich verdient.«
»Ja, das haben sie«, stimmte Cardones zu.
»Also gut!« Honor erhob sich, nahm Nimitz in die Arme und ging zur Luke. »Dann wollen wir das Ganze mal in Gang setzen.«
36
Commander Usher war recht übler Stimmung. Von Anfang an hatte ihm der Auftrag nicht gepaßt, und nach der Ankunft der Hawkwing und der Artemis im Neu-Berlin-System war alles noch schlimmer geworden.
Am liebsten hätte er Captain Fuchien dafür verantwortlich gemacht, doch begegnete sie ihm mit genau der professionellen Vollkommenheit, die man vom Kapitän eines der berühmtesten Liner des Sternenkönigreichs erwarten durfte. Die Kandidaten für solche Posten zog man nicht aus dem Hut, und Fuchien kannte offenbar alle Schliche, um gereizte und aufbrausende Zerstörerkommandanten zur Weißglut zu bringen, die zur Begleitung ihres Schiffes abgestellt waren. Niemand hätte dabei höflicher sein können, und sie hatte Usher in aller Deutlichkeit versichert, daß sie sich im Falle eines unvorhergesehen Zwischenfalls seinem Urteil unterwerfen werde. All das trug nicht gerade zur Verbesserung von Ushers Laune bei, denn er hatte noch nicht einmal einen Grund, seinen Zorn an Fuchien auszulassen.
Nur sich selbst gestand er den wahren Grund seiner schwelenden Wut ein: daß er seine Verärgerung nicht an der Person auslassen konnte, die tatsächlich dafür verantwortlich war. Daß Klaus und Stacey Hauptmann wichtig genug waren, um ein Schiff der Königin von seinen eigentlichen Pflichten abzulenken, hatte gleich von Beginn an Ushers Leber genagt. Und die Behauptung, daß die Hawkwing sich zufällig auf dem Weg nach Silesia befunden habe, als die Admiralität bemerkte, daß auch die Artemis dorthin aufbreche, hatte sich bereits im Sligo-System als allzu durchsichtig erwiesen.
Wie zu Kriegszeiten üblich, enthielten die Tickets der Artemis eine Vorbehaltsklausel, die dem Kapitän das Recht einräumte, den Fahrplan nach Gutdünken zu ändern, solange alle Ziele, für die Passagen ausgestellt worden waren, auch angelaufen wurden. In dem Fall, daß der Kapitän es für nötig befand, Gefahrenpunkte zu umschiffen, sollte die Klausel den Skipper gegen rechtliche Schritte erzürnter Passagiere schützen, die seine Entscheidung eventuell anzweifelten. Auf dieser Reise wurde die Klausel jedoch zweckentfremdet.
Klaus Hauptmann hatte nämlich entschieden, er brauche drei zusätzliche Tage im Sligo-System, um mit seiner dortigen wichtigsten Niederlassung im Andermanischen Reich zu konferieren. Typisch für die Arroganz des Mannes war, daß er Fuchien anwies, die Fahrt zu unterbrechen, während er sich um seine Geschäfte kümmerte. Usher bezweifelte, ob der Magnat auch nur einen Gedanken daran verschwendete, inwieweit er anderen Menschen Ungelegenheiten bereitete. Allerdings bot er zum Ausgleich kostenlose Shuttleflüge zu den berühmten Skigebieten auf dem Planeten Erin und zurück an.
Mit dieser »Großzügigkeit« glättete er vielleicht die Verärgerung der Passagiere an Bord der Artemis , aber Gene Usher ließ sich davon nicht beruhigen. Vielmehr machte Hauptmanns Verhalten es dem Kommandanten fast unmöglich, weiterhin zu behaupten, nur ›zufällig‹ den gleichen Weg zu haben. Sligo war das am zweitdichtesten bevölkerte Sonnensystem des Andermanischen Reiches, und während des Aufenthaltes der Artemis konnten die zahlreichen Schiffe der kaiserlichen Flotte für den Schutz des Liners sorgen. Deshalb hätte Usher reinen Gewissens seine Reise fortsetzen können – wenn man ihn tatsächlich nach Silesia verlegt hätte. Nur bestand sein Auftrag darin, die Artemis unauffällig zu eskortieren; deshalb konnte Usher sich nicht von ihr lösen und mußte drei Tage lang in der Umlaufbahn von Erin auf sie warten.
Als wäre diese Zeitverschwendung nicht schlimm genug, mußte das Warten der Hawkwing zudem Hauptmanns ursprüngliche Vermutung bestätigen. Der Mann war schließlich nicht dumm. Und nach der Ankunft der Artemis und der Hawkwing im Neu-Berlin-System beschloß Hauptmann, sich Ushers Order erneut zunutze zu machen. Diesmal hatte er die Unterbrechung nicht ausgedehnt; nein, ihm war eine schlimmere Idee gekommen.
Als die Artemis und die Hawkwing im Neu-Berlin-System
Weitere Kostenlose Bücher