Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
eintrafen, befanden sich dort drei Frachter der Hauptmann-Linie und warteten auf den nächsten Geleitzug. Handelsschiffe bringen, während sie warten, kein Geld ein. Trotz ihrer gewaltigen Größe waren interstellare Frachter auf die Tonne bezogen billiger als die meisten Formen des planetengebundenen Transports. Ein einziger Frachter nahm mit Leichtigkeit vier bis fünf Millionen Tonnen Ladung auf. Kontragrav und Impeller machten es so leicht, Frachtgut aus dem Gravitationstrichter eines Planeten zu schaffen, daß selbst ein Transport von Nahrungsmitteln über lichtjahreweite Entfernungen sich noch lohnte. Doch ein Schiff, das auf Parkumlaufbahn um einen Planeten lag, kostete den Eigner währenddessen fast ebensoviel, wie es ihm einbrachte, wenn es zwischen den Sternen Handel trieb. Deshalb sah kein Eigner seine Schiffe gern tatenlos.
Angesichts der gegenwärtigen Schiffsverluste in Silesia hätte selbstverständlich nur ein kompletter Idiot von seinen Kapitänen verlangt, auf sich gestellt zu reisen, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Zwar schmälerte es den Gewinn, wenn ein Schiff auf einen Geleitzug warten mußte, aber nicht so sehr wie ein etwaiger Verlust des ganzen Schiffes. Leider hatte Hauptmann überhaupt nicht gezögert, sich den Zerstörer zunutze zu machen, der »zufällig« den gleichen Weg hatte, und wies daher seine Frachter an, sich bis Sachsen der Artemis anzuschließen.
Und nichts anderes ist von dem alten Mistkerl zu erwarten gewesen , dachte Usher und bemühte sich, sein Zähneknirschen lautlos zu halten. Auf sich gestellt, hätten die Hawkwing und die Artemis mit Leichtigkeit bis in die Zeta-Bänder transitieren und dort eine Geschwindigkeit von 0,7 c einhalten können, ein scheinbares Tempo von zweitausendfünfhundertfacher Lichtgeschwindigkeit. Die Reise von Neu-Berlin nach Sachsen hätte damit drei T-Wochen gedauert, nach subjektiver Zeit nur fünfzehn Tage. Aber mit der Bürde der langsamen Hauptmann-Frachter blieben die Schiffe auf die Delta-Bänder beschränkt und konnten ein Maximaltempo von 0,5 c vorlegen – und damit dauerte die Reise fast achtundvierzig T-Tage, die durch Zeitdilatation subjektiv um nur fünf Tage vermindert wurde.
Diese Verdreifachung der Reisedauer wäre an sich schon schlimm genug gewesen; wirklich erbost war Usher, weil Hauptmann kaltlächelnd ein Schiff der Königin gängelte – Ushers Schiff.
Der alte Bastard lacht sich über uns kaputt , dachte Usher verdrießlich und blickte ins W-Display. Die Hawkwing reiste backbords achteraus des improvisierten Geleitzugs, von wo sie jede Bedrohung am effektivsten abfangen könnte. Die Artemis ritt als drittes Schiff in der Reihe auf der Gravwelle. Ihr folgte gleich achteraus der Frachter Markhain und bot einen derart selbstgefälligen Anblick, daß Usher das Blut in den Adern zu kochen begann. Hauptmann legt sich seit Jahrzehnten immer wieder mit der Admiralität an , sagte sich der Commander, und er verliert häufiger als er gewinnt. Jetzt sitzt er in seiner Passagierkabine und brüstet sich damit, wie er die Flotte ›gezwungen‹ habe, wenigstens dieses eine Mal ihre Geleitaufgaben wahrzunehmen. Am schlimmsten ist, daß er dazu kein einziges Wort sagen mußte. Er hat nicht gefragt, er hat nicht gebeten, er brauchte niemanden anzuschnauzen. Er hat ganz einfach eine Ermessensklausel seiner eigenen Tickets mißbraucht, und ich kann nicht einmal protestieren, weil ich ihn offiziell gar nicht eskortiere.
Finster starrte er in das W-Display, aber plötzlich hellte sich seine Miene auf. Er grinste verschlagen und gab eilig einen Code in sein Com.
»Eins-O«, meldete sich Lieutenant Commander Alicia Marcos’ Stimme fast augenblicklich, und Usher klappte den Sessel in Schräglage zurück, um sein verschlagenes Grinsen an die Decke zu richten.
»Tut mir leid, wenn ich Sie störe, obwohl Sie wachfrei haben, Alicia, aber mir ist da so ein Gedanke gekommen.«
»Ein Gedanke, Skipper?« Marcos diente lang genug mit ihm, um seinen Tonfall zu kennen, und klang plötzlich sehr zurückhaltend.
»Jawohl, ein Gedanke«, bestätigte Usher und strahlte die Decke an. »Nachdem wir unerwarteterweise so viel Zeit …« – er machte eine spannungsfordernde Kunstpause – »zur Verfügung haben, sollten wir sie doch lieber sinnvoll nutzen, meinen Sie nicht auch?«
»Auf welche Weise, Captain?« fragte Marcos noch vorsichtiger.
»Gut, daß Sie diese Frage stellen«, antwortete Usher zugänglich. »Warum kommen Sie und Ed nicht hoch
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