Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Ohr und lauschte aufmerksam. Sie wurde bleich und räusperte sich. »Captain, die Operationszentrale hat soeben unsere Kontakte als eindeutig feindlich identifiziert. Ich kennzeichne sie neu als Bandit-Eins bis Vier. Bandit-Eins und Bandit-Vier sind noch immer unbestimmt, aber die beiden anderen benutzen eindeutig havenitische Eloka.«
McKeon fuhr zu ihr herum, Honor hingegen empfand nicht einmal Überraschung. Erstaunt war sie nur darüber, welche Gelassenheit sie verspürte – als hätte sie mit dergleichen gerechnet und sich innerlich gewappnet, seit Commodore Yeargins Signal an die Prince Adrian ausblieb. Honor verschränkte die Hände auf dem Rücken und blickte noch etwa vier Sekunden lang auf den Plot, bevor sie sich an den Taktischen Offizier wandte und einfach sagte: »Vielen Dank, Commander Metcalf.« Ihre Ruhe mußte jeden täuschen, der sie nicht sehr genau kannte. Sie verharrte einen Augenblick und wiegte sich leicht auf den Fußballen, dann wandte sie sich dem Kommandanten zu. »Captain McKeon«, sagte sie förmlich, »wir müssen davon ausgehen, daß das Adler-System vom Feind eingenommen wurde.«
Ringsum griff die Bestürzung wie eine Schockwelle um sich. Alistair McKeons Brückenoffiziere waren gefechtserfahren. Schon bevor die Operationszentrale die Unbekannten als feindselig klassifizierte, war jedem von ihnen die gleiche Erklärung für das Ausbleiben des Anrufs durch den Kopf gegeistert, ganz gleich, wie unwahrscheinlich die Möglichkeit ihnen erschien. Doch als nun die Geschwaderchefin die Folgerung in dürren Worten aussprach, traf es trotzdem jeden wie ein Schlag.
»Aber warum schleichen sie uns dann nach?« fragte Venizelos. »Den Stealth verstehe ich gut, wenigstens bei denen vor uns, aber wir müssen unmittelbar bei Bandit-Eins unsere Alpha-Transition gemacht haben. Er muß unseren Hyperabdruck empfangen und unserer Impellersignatur eine solide Massenabschätzung entnommen haben. Warum hat er so lange gewartet – über fünfunddreißig Minuten? –, bevor er uns zu jagen begann? Besonders, wenn es ein Schlachtkreuzer ist?«
»Das weiß ich nicht, Andy«, sagte McKeon, ohne den Blick von Honor abzuwenden. »Irgend jemand hat jedenfalls unseren Abdruck aufgenommen und die Bastarde vor uns gewarnt – denn die hatten keinesfalls die nötige Sensorreichweite. Vielleicht wollte Bandit-Eins nur so lange ruhig abwarten, bis seine Schwesterschiffe den Alarm empfangen hatten.«
»Sehr gut möglich«, stimmte Honor zu. »Nicht, daß uns eine Erklärung an diesem Punkt noch großartig weiterhelfen würde.« Sie ging an Sarah DuChenes Konsole und berührte die Astrogatorin an der Schulter. »Entschuldigen Sie bitte, Commander. Ich muß mir Ihre Instrumente ausleihen«, sagte sie beinahe geistesabwesend. DuChene blickte sie erschrocken an, räumte jedoch das Feld, und Honor ließ sich in den leeren Sessel sinken.
Ihre Augen waren so konzentriert wie ihre schwirrenden Gedanken, und ihre Finger huschten mit selbstsicherer Eleganz über den Ziffernblock. Normalerweise arbeitete sie bedächtig und achtsam und überprüfte alle Berechnungen ein- oder gar zweimal, doch diesmal übersteuerte die Konzentration Honors übliche Zweifel an ihren mathematischen Fertigkeiten; ihre Finger bewegten sich immer flinker, bis sie schließlich förmlich über die Tasten flogen. Einige komplizierte Vektoren – einige rot, andere grün eingefärbt – zuckten in rascher Abfolge über DuChenes Display. Niemand sprach, während Honor arbeitete, obwohl eine wertvolle Sekunde nach der anderen verstrich.
Das wird knapp, vermutlich zu knapp. Aber eine andere Möglichkeit besteht nicht, oder? überlegte sie, noch immer von unerklärlicher innerer Ruhe erfüllt, während sie die Ergebnisse ihrer Bemühungen betrachtete. Hinter ihrer Gelassenheit spürte Honor noch etwas anderes, etwas Grelles, Häßliches, das aus ihrem Unterbewußtsein auf sie einschnatterte, doch Honor sperrte sich vor diesem Einfluß und begutachtete den letzten der Ausweichkurse, die sie getestet hatte.
Wäre die Prince Adrian allein gewesen, dann hätte Honor bereits den Befehl gegeben, senkrecht zur Ebene der Ekliptik, nach ›oben‹ zu beschleunigen. Dieses Manöver hätte der Adrian eine ausgezeichnete Chance gegeben, unbeschadet allen Feindschiffen zu entkommen – keine absolute Gewißheit, aber eine Chance, auf die sich jeder Buchmacher eingelassen hätte. Nur operierte die Prince Adrian eben nicht allein, und deshalb stellte eine simple
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