Honor Harrington 7. In Feindes Hand
feindlichen Kommandanten aus der Ruhe bringen und ihn verleiten, zu früh zu feuern, solange die Genauigkeit der Raketen noch gering war. Doch der havenitische Captain war nicht auf den Köder angesprungen, und nun blieb nur die magere Hoffnung, er könnte zu lange warten, so daß die erste Breitseite der Prince Adrian nahe genug an die Gondeln herankam und sie außer Gefecht setzte, bevor …
»Raketenstarts!« verkündete Geraldine Metcalf. Honor fühlte, wie sich ihr die Fingernägel in die Handballen gruben, so fest hatte sie unwillkürlich hinter dem Rücken die Fäuste geballt.
»Zahlreiche Raketenstarts«, fuhr Metcalf fort. »Schätzungsweise achtzig oder mehr Raketen nähern sich.«
»Verdammt«, fluchte Alistair McKeon beinahe milde.
Vierundachtzig Raketen rasten HMS Prince Adrian entgegen, kaum mehr als halb so viele, wie das manticoranische Schiff bereits abgefeuert hatte. Jedoch bestand ein gewaltiger Unterschied zwischen zehn einzelnen Breitseiten à sechzehn Raketen und einer einzelnen, massiven Sintflut: die einzelnen Breitseiten waren zeitlich und räumlich voneinander versetzt gestartet und erlaubten den Raketenabwehrcrews daher getrennte Feuerleitgleichungen, was bei einer massiven Salve nicht der Fall war. Seit Beginn des Krieges hatte die Volksflotte schon sehr oft solch grimmigem Verderben entgegengeblickt, nun war die RMN an der Reihe. Geraldine Metcalf und ihre Leute gaben das Menschenmögliche, während die Woge der Vernichtung auf sie niederfuhr.
Störsender röhrten und versuchten die Zielsucher der feindlichen Raketen zu blenden, Täuschkörper sangen ihre Sirenenlieder und verlockten sie, vom rechten Anflugweg abzuweichen. Nur verfügte die Volksflotte durch den Technologietransfer aus der Solaren Liga über verbesserte Raketen, die den Modellen, mit denen sie den Krieg begonnen hatte, bei weitem überlegen waren. Der Zielsucher war ausgeklügelter und die Leistung seiner Zielunterscheidungssoftware um den Faktor drei vergrößert worden. Weil die RMN keinerlei Daten über diesen Raketentyp besaß, blieb die Wirksamkeit von Metcalfs ECM weit hinter den Erwartungswerten zurück. Kaum ein Viertel der Raketen in der massierten Salve wurde geblendet, und nur sehr wenige erlagen der Versuchung durch die Täuschkörper. Siebenundfünfzig durchbrachen die elektronischen Abwehrmaßnahmen des Kreuzers, und Antiraketen sausten ihnen entgegen. Mit mechanischer Präzision begannen die blutroten Icons von Metcalfs Plot zu verschwinden, aber sie dünnten sich zu langsam aus. Fünfunddreißig durchstießen den Riegel aus Antiraketen und wurden von der letzten Nahbereichs-Abwehrwaffe, den Laserclustern, unter Beschuß genommen, die verzweifelt feuerten und versuchten, die Raketen zu vernichten, bevor sie Angriffsentfernung erreichten.
Die Laserstrahlen vernichteten neunzehn havenitische Raketen. Nur sechzehn Raketen, weniger als zwanzig Prozent der Anfangsstärke dieser Salve, drangen bis auf Angriffsentfernung durch, doch das war genug. Der Kreuzer wand sich verzweifelt in Ausweichversuchen. Völlig unerbittlich kamen die Raketen näher, und sie hatten noch genügend Zeit und Antriebskraft, um die letzten Angriffsmanöver durchzuführen. Die Prince Adrian konnte ihnen allen unmöglich ausweichen.
Vier der sechzehn Laser-Gefechtsköpfe verschwendeten sich an den Boden des Impellerkeils, denn die Prince Adrian rotierte, um sich hinter den undurchdringlichen Bändern aus verzerrter Gravitation zu verstecken. Drei schossen an dem Kreuzer vorbei und feuerten ebenso wirkungslos ins Dach des Keils. Von den anderen neun detonierten fünf backbords ›über‹ McKeons Schiff. Die Raketen aus den Gondeln der Katana kamen an Kampfstärke den Lenkwaffen eines Superdreadnoughts gleich – darin standen sie den Raketen manticoranischer Gondeln in nichts nach. Die Prince Adrian erbebte, als Bündel bombengepumpter Röntgenlaser mit verächtlicher Arroganz ihre Seitenschilde zerschlitzten und ihren Rumpf verheerten. Panzerung zersplitterte, interne Schottwände barsten; zwei Raketenwerfer, ein Graser, drei Lasercluster und Radar Drei verglühten. Zweiunddreißig Besatzungsmitglieder fanden den Tod, während die Energiestrahlen das Schiff durchbohrten – und diese Strahlen waren durch den Seitenschild und die Strahlungsabwehrfelder über dem Rumpf abgeschwächt und besänftigt gewesen.
Die vier Laser-Gefechtsköpfe, die vor dem Bug der Prince Adrian detonierten, trafen auf keinen Seitenschild. Ihre geballte
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