Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Ihnen gerechnet.«
»Das ist mir klar, Bürger Admiral«, entgegnete sie und legte den Kopf schräg. Ihre blauen Augen ruhten kurz auf seiner Uniformjacke, dann blickte Ransom zur Whiskeyflasche und dem Glas auf dem Couchtisch. »Bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie ohne Voranmeldung behellige, aber ich hätte einige Punkte mit Ihnen zu bereden. Unter vier Augen.«
»Tatsächlich?« fragte Theisman höflich. Die Inhalation hatte ihm einen pochenden Schädel beschert, doch schien der Kopfschmerz seinen Verstand zu klären. Er musterte auffällig die Leibwächter, doch diese Andeutung war verschwendet. Ein Gespräch unter vier Augen schloß ganz offensichtlich die Anwesenheit der beiden Kleiderschränke nicht aus. Plötzlich ereilte den Bürger Admiral eine unvermittelte Erkenntnis; er wußte nicht, ob erst der verklingende Kampf zwischen dem inhalierten Mittel und den letzten Resten seiner Trunkenheit ihm diese Assoziation ermöglichte, die er sich ansonsten verboten hätte. Doch seine Erkenntnis erschien ihm nun derart offensichtlich, daß ihm unbegreiflich war, wieso er den Sachverhalt nicht schon viel früher durchschaut hatte. Die Anwesenheit der Leibwächter war nicht etwa darauf zurückzuführen, daß Ransom sich bedroht gefühlt hätte; sondern nur auf einen einzigen Grund: weil Ransom wichtig genug war, um sie zu bekommen. Die Leibwächter repräsentierten Ransoms Macht und Bedeutung, sie waren ein Totem oder eine Trophäe, auf die zu verzichten sie nicht bereit war.
»Tatsächlich«, erwiderte sie, ohne etwas von den Gedanken zu ahnen, die ihm durch den Kopf schossen. Er trat beiseite und lud sie mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen.
»Ich hatte gerade etwas getrunken, zur Entspannung«, erklärte er. »Darf ich Ihnen auch etwas anbieten?«
»Nein, danke. Aber lassen Sie sich durch mich nicht abhalten.«
»Im Moment nicht, danke«, entgegnete Theisman und wartete, bis sie sich niedergelassen hatte, dann nahm er ihr gegenüber Platz. »Wie kann ich Ihnen helfen, Bürgerin Minister?« fragte er in höflichem Ton, während sich die Leibwächter hinter ihr positionierten.
»Ich möchte mit Ihnen Bürger Konteradmiral Tourvilles Vorgehen diskutieren«, antwortete sie, und Theisman empfand ein erneutes Aufflackern von Vorsicht, denn sie klang sehr kühl, und in ihre Augen war wieder die Leblosigkeit zurückgekehrt.
»In welcher Hinsicht, Ma’am?« Theismans gereizter Magen verkrampfte sich, dennoch gelang es ihm, sich seine Vorbehalte weder in der Stimme noch im Gesicht anmerken zu lassen. Es bedurfte großer Konzentration, seine Deckung aufrechtzuerhalten, und Ransoms nächste Worte erschwerten es ihm noch mehr.
»Ich bin nicht sonderlich glücklich über seinen durchsichtigen Versuch, die Gefangenen an das Militär auszuliefern«, sagte sie.
»Ich fürchte, ich kann Ihrem Gedankengang nicht ganz folgen, Bürgerin Minister«, entgegnete Theisman so ruhig er vermochte. »Die Gefangenen befanden sich doch bereits in militärischem Gewahrsam, und er hat die Gefangennahme gemeldet und um Billigung seiner Absicht ersucht, sie unmittelbar nach Tarragon zu verlegen.«
»Versuchen Sie nicht, ein Spielchen mit mir zu treiben, Bürger Admiral.« Ransom klang nun noch kühler und lächelte ihn dünn an. »Seine Untergebenen zu decken ist eine bewundernswerte Eigenschaft, aber Sie wissen genau, was ich meine. Diese Harrington ist ja wohl kaum eine gewöhnliche Kriegsgefangene, darüber müssen Sie und Tourville sich doch sehr genau im klaren sein. Ihre Gefangennahme bietet uns eine politische Chance erster Klasse, und deshalb ist die Entscheidung über ihren Verbleib nicht militärischer, sondern politischer Natur!«
»Aber Bürgerin Minister«, entgegnete Theisman, »nach der Übereinkunft von Den …«
Ransom schnellte vor und funkelte Theisman an. »Was interessieren denn mich die Deneber Übereinkünfte!« kanzelte sie ihn ab. »Die Deneber Übereinkünfte sind nicht von den Vertretern des Volkes, sondern von den Legislaturisten unterzeichnet worden, und das Volk ist nicht an überkommene Reste der plutokratischen Vergangenheit gebunden – schon gar nicht, wenn es auf Leben und Tod gegen andere elitäre Plutokraten kämpft! Dieser Krieg ist ein Krieg der Ideologien, und zwischen Ideologien kann es unmöglich Kompromisse geben! Wieso begreift das kein einziger Offizier? Das ist keiner dieser Kriege einer Kriegerkaste gegen ›ehrenwerte Feinde‹ oder ›Offizierskameraden‹, Bürger Admiral! Wir
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