Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Militärangehörige im Komitee. Bei all ihrer Brillanz im Gefecht war sie schon unter den Legislaturisten gefährlich ehrgeizig gewesen. Isoliert unter Zivilisten, ohne jedes Verständnis für die Schwierigkeiten der Streitkräfte, würde sie sich bei ihrer Ambition eher in den Machtspielen verstricken als die Probleme der Volksflotte zu lösen. Selbst wenn sie von vornherein für die Belange der Flotte eintrat, traute ihr Theisman einfach nicht genügend Einfluß zu. Vermutlich würde sie zu spät kommen, um ihm noch die Haut zu retten. Trotzdem vermochte er die zarte Hoffnung, sie könne doch einen Unterschied bewirken, einfach nicht zu unterdrücken. Welche Fehler sie sonst auch besaß, sie war seit mehr als vierzig T-Jahren Raumoffizier und hatte immer verstanden, bei ihren direkten Untergebenen Loyalität zu wecken. Hoffentlich vergaß sie nie, daß Loyalität in zwei Richtungen wirkt – oder hoffentlich erkannte sie wenigstens die Notwendigkeit, die Flotte zu stärken, um ihre eigene Machtgrundlage zu erhalten.
Wieder schnaubte er – diesmal vor Verärgerung über sein masochistisches Bedürfnis zu glauben, die Volksrepublik könne trotz der irrsinnigen Regierungsoberhäupter überleben. Dann rief er eine neue zu bearbeitende Datei ab. Man hatte ihm zwar ein manövrierunfähiges Schiff gegeben, das immer tiefer in einen Schwerkrafttrichter trieb, aber trotzdem war es seine Pflicht, sein Bestes zu geben, bis …
Das leise Summen des Coms drang in seine Gedanken. Er drückte den Annahmeknopf, und die sauberen Blocks aus alphanumerischen Zeichen verschwanden vom Bildschirm des Terminals, der unmittelbar auf geteilte Darstellung schaltete. Seine Stabschefin, die braunäugige, schwarzhaarige Bürgerin Captain Megan Hathaway, und Bürger Commander Warner Caslet, sein Operationsoffizier, blickten Theisman aus dem Bildschirm an. Theisman beherrschte sich und verzog das Gesicht nicht, obwohl Caslet nur ein Beweis mehr war, daß das Komitee fortan ohne Thomas Theisman zurechtkommen wollte.
Caslets Fehler war es nicht; der Mann war vielmehr ein überragender Offizier, über dessen Zuweisung sich Theisman unter normalen Umständen gefreut hätte. Doch über dem Bürger Commander schwebte eine schwarze Wolke. Bis vor etwas mehr als einem T-Jahr hatte er zu den aufsteigenden jungen Sternen am Himmel der Volksflotte gezählt. Dann aber gelangten Berichte über Bürger Admiral Giscard auf die Heimatwelt, denen zufolge er versuchte, innerhalb der Silesianischen Konföderation Handelskrieg zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Caslet bereits sein eigenes Schiff verloren – bei dem Versuch, einen manticoranischen Frachter vor einheimischen silesianischen Piraten zu retten.
Theisman hatte die Berichte über die fraglichen Piraten gelesen, und obwohl sie offensichtlich zensiert gewesen waren, ging eindeutig aus den Texten hervor, weshalb ein Offizier, der seine Uniform zu recht trug, nicht anders konnte, als jede Frachtercrew vor solchen Unmenschen zu retten. Zu Caslets Unglück erwies sich der Frachter, den er retten wollte, als Q-Schiff: als getarnter, bewaffneter Handelskreuzer der Royal Manticoran Navy. Das Q-Schiff brachte seine Vaubon auf und vernichtete nebenbei die Piraten, die Caslet angegriffen hatte, um den Manticoraner zu retten.
Einmal in manticoranischem Gewahrsam hatte Caslet – mit Einwilligung seines Volkskommissars – dem Feind seine Erkenntnisse über die Piraten mitgeteilt. Da er den Frachter eigentlich hatte ›retten‹ wollen, sahen sich die Manticoraner dadurch bemüßigt, Caslet und seine Ressortoffiziere zu repatriieren, anstatt sie in ein Kriegsgefangenenlager zu überführen. Alles in allem betrachtet, hatten die Manticoraner Caslet nicht unbedingt einen Gefallen getan, indem sie ihn zurückschickten; nur ein Befehl des Admiralstabs hatte die SyS davon abgehalten, ihn für den Verlust seines Schiffes unter solchen Begleitumständen hinzurichten. Jedes einzelne Schiff von Giscards Kampfverband hatte unter dem Befehl gestanden, allen andermanischen Handelsschiffen zu Hilfe zu eilen, die von Piraten bedroht wurden.
Soweit Theisman herausgefunden hatte, steckte hinter dieser Order der Gedanke, daß sich Giscards Handelsstörer durch solche Hilfsmaßnahmen die Dankbarkeit des Andermanischen Reiches erwarben und daß die kaiserliche Flotte dafür die havenitischen Operationen in seiner Nachbarschaft übersehen und die Ausbreitung des Krieges in nominell neutrales Raumgebiet dulden würde. Diese
Weitere Kostenlose Bücher