Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Schlachtkreuzer einsetzen, um eine realistische Chance zu haben, uns eines der eroberten Systeme wieder abzunehmen. Aber mit Leichten und Schweren Kreuzern, sogar mit Zerstörern könnte er unsere Frachtschiffe attackieren. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich genau das tun, denn dadurch rentierte sich jede Investition am meisten.«
»Hm.« Honor rieb sich wieder die Nase und blickte Mayhew fragend an. »Jasper?«
»Commander McGinley hat da natürlich nicht unrecht, Mylady«, gab der Lieutenant zu, »aber ihre Schlußfolgerung beruht auf zwo Voraussetzungen. Zum einen, daß die Havies keine Schlachtkreuzer loseisen würden, um einen unserer Vorposten auszuschalten, und zum anderen, daß sie mit ihren leichten Einheiten willentlich unseren Handelsverkehr stören. Gegen die erste Voraussetzung läßt sich einwenden, daß wir nur Vermutungen anstellen können, welche Schiffe Admiral Theisman von den höheren Kommandostellen erhalten wird. Natürlich ist es sehr gut möglich, daß man Barnett bereits abgeschrieben hat. Ich weiß, daß das ONI auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Schiffe den Schluß gezogen hat, Haven bliebe gar nichts anderes übrig, als das System aufzugeben. Diese Argumentation ist schlüssig, und trotzdem wäre es möglich, daß man Barnett zwar als entbehrlich ansieht, das System aber trotzdem nicht kampflos aufgeben will. Damit könnte man uns immerhin zwingen, mit möglichst starken Verbänden gegen Barnett vorzugehen – Kampfstärke, die uns dann bei Operationen rings um Trevors Stern fehlt.«
Er machte eine Pause, und Honor nickte zurückhaltend. Mayhew nahm sich sehr viel heraus, indem er den Schlüssen besser bezahlter, höherrangiger Köpfe widersprach. Für einen einfachen Lieutenant erforderte es schon ein gerüttelt Maß an Mut – oder Ego –, um die Ansichten des ONI in Frage zu stellen, doch gerade sein mangelndes Dienstalter mochte Mayhew den Widerspruch in zumindest einer Hinsicht erleichtern: Er konnte Einwände erheben und alternative Deutungen anbieten, soviel er wollte; ihm fehlte der Rang, um seine Schlußfolgerungen gegen die Meinung anderer durchzusetzen. Selbst wenn einer seiner Vorgesetzten nun beschloß, Mayhews Ratschlag zu befolgen, so lag die Verantwortung (und die Schuld) letztlich bei diesem Vorgesetzten und nicht bei dem Lieutenant.
Allerdings hatte Mayhew soeben genau jene Strategie umrissen, die Honor an Theismans Stelle verfolgt haben würde.
»In bezug auf den zwoten Punkt, daß die leichteren havenitischen Einheiten systematisch unseren Handelsverkehr stören könnten«, fuhr der Nachrichtenoffizier fort, »möchte ich nur darauf hinweisen, daß unsere Frachtverschiffung in den letzten Monaten grundlegend geändert wurde und nun an die Verfügbarkeit von Geleitschiffen gekoppelt ist. Zwar senden wir größere Konvois aus, aber die Gesamtzahl der Geleitzüge – und damit auch der potentiellen Ziele – ist hingegen um die Hälfte reduziert worden. Wenigstens auf dem Papier steht uns dadurch die doppelte Anzahl von Geleitschiffen pro Konvoi zur Verfügung. Vielleicht haben die Havies davon noch nicht Wind bekommen, aber jeder, der versucht, unseren Nachschub zu stören, wird die Lage sehr, sehr schnell begreifen. Was aber, wenn der Feind die Änderung unserer Einsatzschemata bereits registriert hat? Command Central betraut uns mit einem einzigen Geleitzug. Sechs Schwere Kreuzer warten also auf eventuelle Raider. Mehr als einem Drittel unserer Systemvorposten stehen genausoviel oder sogar weniger Kampfkraft zur Verfügung. Wenn man sich dieser Kampfstärke also ohnehin stellen muß, warum dann beweglichen Zielen hinterherhetzen? Um im Hyperraum einen Konvoi aufzuspüren, müßte der Feind seine Stärke sehr weit verteilen, selbst wenn er den Marschplan des Geleitzugs genau kennt. Diese Verteilung bedingt wiederum, daß er wahrscheinlich nicht rechtzeitig genügend Kampfkraft zusammenziehen kann, um den Geleitschutz anzugreifen, falls er den Konvoi überhaupt findet. Sonnensysteme weichen andererseits nicht aus; man weiß immer ganz genau, wo sie sind. Wenn der Feind Schlachtkreuzer aggressiv einsetzt, besitzt er alle Vorteile einer Spinne im Netz. Erobert er ein System, ist es unmöglich, die Schiffe, die sich bereits auf dem Weg dorthin befinden, vor ihrem Eintreffen zu warnen – der Feind aber könnte auf seine gesamte Kampfstärke zurückgreifen, um den Geleitschutz auszuschalten, und sich anschließend den Frachtern zuwenden. In diesem Fall
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