Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
auf einer Auktion den Planeten an die zukünftigen Siedler. Trotz des Hyperantriebs verlangte dieses Verfahren allen Beteiligten große Voraussicht ab, doch die Menschheit passte sich daran ebenso rasch an, wie sie sich einst daran gewöhnt hatte, dass zwischen beliebigen Punkten auf einem Planeten verzögerungsfreie Kommunikation möglich wurde. Als das erste Kolonistenschiff mit Warshawski-Segeln gilt die Icarus , die am 9. September 1284 P. D. unter dem Kommando von Captain Melissa Andropov Alterde verließ. (Ihrem Namen zum Trotz leistete die Icarus mehr als zwei Jahrhunderte lang treue, zuverlässige Dienste, bis man sie schließlich 1491 P. D. verschrottete.) Dennoch, mehr als fünfhundert Jahre lang blieb die Zweiteilung der interstellaren Kolonisierung in überlichtschnelle Erkunder und unterlichtschnelle Kälteschläfer der Standard.
Als die Umwälzung schließlich einsetzte, ereigneten sich etliche höchst unerfreuliche Zwischenfälle: Skrupellose Elemente benutzten die neuen Hypersegelschiffe, um Kälteschläfer auf dem Weg zu ihrer neuen Heimat zu überholen. Trafen die rechtmäßigen Kolonisten schließlich ein, sahen sie sich bereits eingesessenen (und bis an die Zähne bewaffneten) Squattern gegenüber, die die angestrebte Heimatwelt bereits widerrechtlich in Besitz genommen hatten. Gab es in der Nähe eine andere, etablierte Kolonie, so half sie den Betrogenen oft und stand ihnen sogar manchmal militärisch zur Seite, denn niemand wollte solch zwielichtige Gesetzesbrecher in seiner Nachbarschaft wissen. Fand sich jedoch keine geneigte Siedlungswelt, so hatten die geprellten Siedler einen schweren Stand, besonders deswegen, weil sie in technischer Hinsicht den Squattern oft um mehrere Jahrhunderte nachstanden. In manchen Fällen ergab sich daraus ein Domino-Effekt: Kälteschläfern, die sich plötzlich enteignet sahen, mangelte es meist an den nötigen Mitteln, um an den Ausgangspunkt ihrer langen Reise zurückzukehren (falls sie es überhaupt darauf angelegt hätten). Viele entschieden sich darum, eine unerforschte Welt zu besiedeln, wenn es Sterne mit bewohnbaren Planeten in der Nähe gab – oder wenigstens Sterne, die vielleicht einen bewohnbaren Planeten besitzen konnten. Viele davon gerieten in ähnliche Schwierigkeiten wie die alten Generationenschiffe, die nicht alle Mittel besaßen, um den Planeten zu terraformieren, den sie erreicht hatten. Andere wiederum verdrängten eine andere Gruppe legitimer Kolonisten, die noch unterwegs war, und wurden selbst zu Squattern. Solche Fälle fanden indes oft ein glücklicheres Ende: Wenn die rechtmäßige Siedlergruppe eintraf, stellte sie fest, dass ein Teil ihrer Welt bereits von anderen besiedelt worden war, die sich mit zahlreichen, bereits geleisteten Vorarbeiten in die Kolonie einkauften, sodass die Neuankömmlinge nicht bei Null anzufangen brauchten. Solche ›Squatter‹ wurden in der Regel auf friedliche Weise in die Reihen der rechtmäßigen Kolonisten integriert.
Mit der Icarus und ihren jüngeren Schwesterschiffen verlagerte sich allmählich das Kolonisationsmuster.
Bald war es möglich, eine 500 Lichtjahre weite Reise in kaum zweieinhalb Jahren zurückzulegen, eine Zeit, die umso mehr zusammenschrumpfte, je weiter man die Warshawski-Technik verbesserte. Noch immer wandte man an Bord der Kolonistenschiffe den Kältetiefschlaf an, doch nicht mehr als Überlebensnotwendigkeit, sondern als Mittel, möglichst viele Passagiere in das Schiff zu stopfen. Und je höhere Geschwindigkeiten möglich wurden, desto mehr fiel die Hibernation der Vergangenheit anheim.
4. Das Sternenkönigreich von Manticore
4.1. Gründung und Frühgeschichte
Die erste Kolonistenexpedition nach Manticore verließ Alterde am 24. Oktober 775 P. D. und machte sich an Bord des unterlichtschnellen Hibernationsschiffes Jason auf die Reise zu seinem von Sol annähernd 512 Lichtjahre entfernten Ziel. Dass der getrennte G0 / G2-Doppelstern Manticore Planeten besitzt, war 562 P. D. von dem Astronomen Sir Frederick Clarke festgestellt worden. Durch Manticores Entfernung zu Sol dauerte die Reise 640,5 Jahre (durch Zeitdilatation nur etwas mehr als 384 subjektive Jahre), was bedeutete, dass jeder Kolonist sieben Mal zu Leibesübungen geweckt werden musste. Entsprechend investierten die Kolonisten jeweils viereinhalb Jahre ihrer Lebenszeit (und ihr gesamtes Vermögen) in die Reise.
Sechzig Prozent der Kolonisten stammten aus Westeuropa, der Rest zum größten Teil aus der
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