Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
primitiven Hyperschiffe es immerhin erlaubten, ausgedehnte Erkundungen potenzieller Kolonien durchzuführen, bevor die langsamen Kolonistenschiffe starteten. Zu diesem Zeitpunkt gehörten Generationenschiffe jedoch ohnehin schon der Vergangenheit an.
Im Jahre 305 P. D. nämlich war endlich die Tieftemperatur-Hibernation praktisch möglich geworden. Einzelne Gliedmaßen oder Organe durch Tieftemperaturtechniken zu konservieren hatte kaum noch ein Problem bedeutet, wenngleich auch die besten kristallisationshemmenden Verfahren, die bis dahin bekannt waren, nicht ganz verhindern konnten, dass es dabei zu Gewebeschädigungen kam. Doch während geringfügige Schäden an einem Arm oder einer Leber verkraftet werden können, ist die Lage bereits bei der kleinsten Schädigung von Gehirngewebe ungleich ernster. Die von den Pionieren der Hibernationsforschung so enthusiastisch beschworene unbegrenzte Aussetzung aller Lebensvorgänge hatte sich im Laufe der Zeit immer mehr als schimärisch erwiesen.
An der Universität von Tulane gelang es 305 P. D. jedoch Dr. Cadwaller Pineau, den gordischen Knoten der Tieftemperatur-Hibernation zu durchschlagen, indem er das Kristallisationsproblem umging. Pineau fand heraus, dass man die Lebensvorgänge unbegrenzt um den Faktor 100 verlangsamen kann, wenn man den Körper des Probanden auf eine Temperatur ganz knapp über den Gefrierpunkt absenkt. Anders gesagt, altert ein Mensch für jedes Jahrhundert, das er in der Pineau-Hibernation verbringt, um ein Jahr. Sein Bedarf an Nahrung und Sauerstoff ist entsprechend gesenkt. In den kommenden Jahrzehnten verfeinerten Pineau und seine Mitarbeiter das Verfahren. Insbesondere mussten die Komplikation des Muskelschwunds und weitere physiologische Schwierigkeiten beseitigt werden, die bereits von Patienten bekannt waren, die lange Zeit in einem Komazustand verbracht hatten. Schließlich ermittelten die Forscher, dass ein hibernierender Mensch alle sechzig Jahre einmal (d. h. nach 7,2 physiologischen Monaten) aufgeweckt werden und für einen Monat Körperertüchtigung betreiben muss. Solche Pausen zugunsten der Bewegungsfähigkeit blieben während der gesamten Epoche der Hibernationsschiffe unverzichtbar.
Im Endeffekt hatte Pineaus Verfahren zur Folge, dass die Lebenserhaltungskapazität eines Hibernationsschiffes (eines Kälteschläfers, wie man die Fahrzeuge und ihre Passagiere bald generell nannte) im Vergleich zu der eines Generationenschiffes gewaltig reduziert werden konnte. Bei,8 c erfuhren die Kolonisten eine Zeitdilatation von 60 %; mit anderen Worten verging mit jeder Sechzig-Jahres-Periode ein Reisejahrhundert nach Rechnung des äußeren Universums. Damit konnte eine Reise von einem Jahrhundert ohne eine einzige ›aktive Phase‹ zurückgelegt werden und kostete den Reisenden nur 7,2 Monate seiner natürlichen Lebensspanne. Längere Reisen erforderten regelmäßiges Wecken, doch ließen sich die Wachphasen staffeln, sodass die jeweils aufgeweckten Insassen mit dem Bruchteil des Lebenserhaltungsaufwandes auskamen, den die gesamte Besatzung benötigt hätte. Im Endeffekt gestattete der ›Kältetiefschlaf‹ es einer weit größeren Anzahl Kolonisten, in einem Schiff gegebener Größe zu reisen und dabei weit weniger subjektive Lebenszeit einzubüßen als mit einem Generationenschiff, an Bord dessen man die Ankunft am Ziel nicht unbedingt noch erlebte.
Mit der Einführung des Hyperantriebs erfuhr die Kolonisierung der Milchstraße eine weitere Beschleunigung. Allerdings forderten die Verluste der frühen Hyperschiffe so viele Opfer, dass man schon eine gewisse ›Draufgängermentalität‹ mitbringen musste, um überhaupt an Bord eines solchen Schiffes zu gehen. Kolonisten besaßen diesen Persönlichkeitszug allerdings in der Regel nicht. Zwar waren sie durchaus bereit, Risiken einzugehen, um eine neue Heimatwelt in Besitz zu nehmen, doch mieden sie ihren Familien zuliebe jede Gefahr, der sie aus dem Weg gehen konnten.
Mit den Hyperschiffen standen nun Erkundungsfahrzeuge zur Verfügung, die über sechzig Mal schneller waren als ein Unterlichtschiff, und die Menschen, die auf Entdeckung und Erkundung neuer Welten aus waren (anstatt sie zu besiedeln), besaßen gerade die richtige Mentalität, um Hyperreisen zu riskieren. Binnen kurzem war es üblich, dass Erkundungsschiffe, die im Allgemeinen Privatgesellschaften gehörten, das hohe Risiko auf sich nahmen, kolonisierbare Planeten aufzufinden. Anschließend versteigerte die Gesellschaft
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