Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
und sorgfältig, als sei er entschlossen, sein eigenartig genuscheltes Standardenglisch verständlich zu machen. »Das war nicht deine Schuld, bienaimée . Ich habe mich selbst dafür entschieden, Harriet. Wir alle.«
»Und ich habe euch angeführt«, sagte sie tonlos. Dann holte sie Luft und schüttelte den Kopf. »Trotzdem hat er Unrecht, Dame Honor. Er ist ein eigensinniger Mann, mein Henri.«
»Und du bist das nicht?«, fragte Dessouix etwas weniger bestimmt.
»Jedenfalls bin ich kein Mann«, stellte Benson fest und lächelte zögernd. Zum ersten Mal sah Honor die Frau lächeln, und dabei nahm ihr finsteres Gesicht einen beinahe sanften Ausdruck an.
»Das hätte ich auch gemerkt«, entgegnete Dessouix, und Benson kicherte leise. Dann wandte sie sich wieder an Honor.
»Aber Sie haben gefragt, wie ich hierher gekommen bin. Die Antwort ist leider sehr einfach – hässlich ist sie, aber einfach. Diese Mistkerle von der InAb oder die neuen Schwarzbeine von der SyS haben sich nie auch nur die geringsten Gedanken um Kleinigkeiten wie die Deneber Übereinkünfte gemacht, wissen Sie. Für die Wärter sind wir keine Gefangenen, sondern Eigentum. Mit uns können sie machen, wonach auch immer ihnen der Sinn steht, und keiner ihrer vorgesetzten ›Offiziere‹ gibt ihnen auch nur einen Klaps auf die Hand. Wenn Sie also gut aussehen und ein Schwarzbein Gefallen an ihnen findet …«
Sie zuckte mit den Schultern, und Honors Gesicht wurde härter als Stein. Benson blickte ihr ins gesunde Auge und nickte.
»Genau.« Sie senkte den Kopf und holte tief Luft. Honor spürte die eiserne Disziplin, mit der die ältere Frau den Zorn bezwang, der in ihr überzukochen drohte. »In unserem alten Lager war ich dienstältester Offizier, was mich zu einer Art Kommandantin machte«, fuhr die Frau fort. Die Leidenschaftslosigkeit ihrer Stimme musste sie teuer erkauft haben. »Zwei weitere Gefangene, mit denen ich befreundet war, halfen mir mit dem Management des Camps. Sie waren Zwillinge – Bruder und Schwester. Ich habe nie erfahren, von welchem Planeten sie wirklich kamen. Ich glaube, sie stammten von Haven selbst, aber gesagt haben sie es mir niemals. Ich weiß nur, dass sie politische Häftlinge waren und keine Kriegsgefangenen, und ich nehme an, selbst auf Hell fürchteten sie sich, das zuzugeben. Eigentlich hätten sie gar nicht erst im gleichen Lager wie wir Soldaten sein dürfen, aber sie lebten schon sehr lange auf Hell, fast so lange wie ich, und am Anfang hat die InAb auf solche Feinheiten nicht geachtet. Jedenfalls sahen sie beide sehr gut aus, und im Gegensatz zu mir waren sie Lebensverlängerte in der zweiten Generation.«
Sie hob die Hand und strich sich über den blonden Zopf. Aus der Nähe sah Honor die weißen Haare darin, obwohl sie in dem Gold schwer auszumachen waren. Bensons gebräuntes Gesicht wirkte ebenfalls älter, als es Honor im ersten Moment erschienen war. Kein Wunder, wenn sie die Prolong-Behandlung für die erste Generation erhalten hatte – wie zum Beispiel Hamish Alexander. Warum muss ich jetzt ausgerechnet an ihn denken? , wunderte sie sich, doch der Admiral war rasch vergessen. Honor konzentrierte sich ganz auf Benson.
»Auf jeden Fall, vor ungefähr … war es vor sechs Jahren, Henri?« Sie sah Dessouix an, der nickte, und wandte sich wieder an Honor. »Vor etwa sechs Ortsjahren entschied einer dieser neuen Hundesöhne von Schwarzbeinen, dass er die Schwester wollte. Er war Bordingenieur des Versorgungsshuttles und befahl ihr, einzusteigen und mit nach Styx zu fliegen.«
Honor zog die Augenbrauen zusammen und versteifte sich; Benson hielt inne, denn sie sah ihr an, dass sie eine Frage hatte.
»Ich wollte Sie nicht unterbrechen«, entschuldigte sich Honor, »aber ich dachte, dass allen Gefangenen das Betreten von Styx verboten sei.«
»Gefangenen schon; Sklaven nicht«, entgegnete Benson schroff. »Wir wissen nicht, wie viele Sklaven es gibt – vermutlich nicht mehr als zwohundert. Ich nehme an, es verstößt gegen die offiziellen Bestimmungen, aber das interessiert hier kaum jemanden. Diese abartigen Kotzbrocken halten sich für Götter, Commodore. Sie können mit uns tun, was immer ihnen in den Sinn kommt – wirklich alles –, und sie sehen keinen Grund, weshalb sie sich davon abhalten lassen sollten. Deshalb verschleppen sie einige von uns, die für sie die Drecksarbeit machen – oder holen sie sich ins Bett.«
»Ich verstehe«, sagte Honor mit einer Stimme, die so schneidend klang wie
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