Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
»Könnten Sie die Grundzüge des Planes darlegen, den der Admiralstab beschlossen hat, Bürger Commander?«
»Jawohl, Bürger Admiral«, antwortete Macintosh respektvoll. Er ließ den Blick noch einmal über sein Display wandern, dann schaute er auf und sah nacheinander seine Stabskameraden an.
»Kurz gesagt sind Bürgerin Minister McQueen und Bürger Admiral Bukato zu dem Schluss gelangt«, begann er, »dass die gegenwärtige Aktivitätspause der Manticoraner uns zum ersten Mal seit Kriegsbeginn Gelegenheit bietet, die strategische Initiative zurückzugewinnen. Im Tonnagenverhältnis ist unsere Überlegenheit gegenüber den Manticoranern seit Kriegsbeginn jedoch empfindlich geschrumpft, und zwar besonders bei den Wallschiffen. Andere Operationsgebiete werden belastet, weil die Reserven für Unternehmen Ikarus zusammengezogen werden, und trotzdem erhalten wir durch die Kampfstärke, die wir einbringen können, längst nicht so viel Fehlerspielraum, wie wünschenswert wäre. Zu Recht, wie ich finde, drängt der Admiralstab darauf, dass wir unsere Kampfstärke auf ökonomischste Weise einsetzen. Während der Operationen ist mit Verlusten zu rechnen; wenn diese Verluste die Folge kalkulierter Risiken sind, wird man es uns nicht ankreiden.« Und davon könnt ihr so viel glauben, wie ihr wollt , dachte Giscard bei sich. »Bürgerin Minister McQueen weist uns sogar ausdrücklich an, im Gedächtnis zu behalten, dass Verwegenheit und Überraschung unsere effektivsten Waffen seien. Doch um Ikarus zum Erfolg zu bringen, müssen wir die verfügbare Kampfstärke sehr sorgfältig verteilt einsetzen.«
Macintosh legte eine Redepause ein, als wollte er dem Stab Gelegenheit geben, über das Gehörte nachzudenken, und senkte den Blick auf seine Notizen.
»Gegenwärtig besteht unsere geplante Schlachtordnung aus dem Äquivalent von zwo Dreadnought- und vier Superdreadnoughtgeschwadern, summa summarum also achtundvierzig Wallschiffen, die von zehn Schlachtschiffgeschwadern unterstützt werden; insgesamt kommen wir also auf einhundertachtundzwanzig Großkampfschiffe. Unser Schlachtkreuzerkontingent wird aus dem Gegenstück dreier Geschwader bestehen, insgesamt aus vierundzwanzig Schiffen. In Kürze wird Bürger Admiral Tourville an Bord eines dieser Schlachtkreuzer zu uns stoßen und als Stellvertretender Kommandeur der Zwölften Flotte fungieren.«
Bei dieser Ankündigung blickten mehrere am Tisch auf, und Giscard verbarg ein Lächeln. Wie er selbst betrachteten die meisten Offiziere im Besprechungsraum den Justizmord an Honor Harrington mit Abscheu. Tourville aber hatte dadurch, dass er nicht nur das Adler-System eroberte, sondern auch sie gefangen nahm, seinen ohnedies schon sehr guten Ruf vergrößert. Keiner von Giscards Stabsoffizieren hatte jedoch große Lust, einen Offizier im Zaum zu halten, der zwar als brillanter Taktiker galt, aber vor allem einen Ruf als Draufgänger genoss, der wie ein Pubertierender auf Mutproben und Ruhmgewinn bedacht war. Dennoch konnte seine Versetzung in den Führungsstab der 12. Flotte nur bedeuten, dass der Admiralstab das Unternehmen Ikarus als tatsächlich so lebenswichtig ansah, wie man dort behauptete. In der Volksflotte waren Gesten wie diese nicht gerade an der Tagesordnung.
Persönlich hegte Giscard einige Vorbehalte – nicht etwa in Bezug auf Tourvilles Fähigkeiten, sondern dagegen, dass man ihn zum Unternehmen Ikarus abgestellt hatte. Es musste ein Grund vorgelegen haben, ausgerechnet Tourville und sein Flaggschiff abzukommandieren, damit er Bürgerin Ministerin Ransom ins Cerberus-System eskortierte, und Giscard bezweifelte sehr, dass sich Ransom von Tourville Rat holen wollte, in welcher Farbe sie ihr Quartier an Bord der Tepes streichen lassen solle. Doch das würde nun niemand je erfahren. Giscard zählte zu der Handvoll Flottenoffiziere, die wussten, was mit der Tepes geschehen war – und mit Bürgerin Minister Ransom –, und er hatte nur deshalb davon erfahren, weil er über eine Informationsquelle verfügte, wie sie nur sehr wenige Raumoffiziere ihr Eigen nennen durften.
Das Ende der Tepes lag nun zehn Monate zurück, und Giscard fragte sich manchmal, wann man wohl Ransoms ohnehin lange überfälliges Ableben offiziell verkündete (und wie das Amt für Öffentliche Information die Begleitumstände ihres Heimgangs aus dem Jammertal denn nun für die gewöhnlichen Sterblichen in der Volksrepublik und anderswo aufbereiten würde). Die Leute an der Spitze mussten begriffen
Weitere Kostenlose Bücher