Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
eigentlich ein noch größeres Problem dar als die Volkskommissare. Ob man das nun erkannt und sie deshalb liquidiert hat oder ob das ein zufälliger Aspekt ist, Ransoms Verschwinden erleichtert es McQueen jedenfalls ungemein, das zu tun, wofür man sie geholt hat. Und das wirft für uns eine Menge Probleme auf.«
Er starrte düster auf seine Schreibunterlage, dann riss er sich zusammen und stand mit einem müden Lächeln von seinem Stuhl auf.
»Nun, wie auch immer, meine Fragen sind damit wohl beantwortet. Gentlemen, mein Stab und mein Flaggkommandant würden Sie gern über die Lage der Achten Flotte in Kenntnis setzten. Ich meine wohl, wir sollten sie nicht länger warten lassen als nötig. Wollen Sie mir also bitte folgen?«
Er trat um den Tisch und führte seine Besucher aus der Kabine.
21
»Und hier das Typschiff unserer neuen Superdreadnoughtklasse«, erklärte Hochadmiral Wesley Matthews seinen Gästen und wies mit entschuldbarem Stolz auf den gewaltigen, fast fertiggestellten Rumpf, der durch das Sichtfenster aus Armoplast zu sehen war. »Weitere neun Schiffe dieser Klasse sind in Bau«, fügte er hinzu. William Alexander und Sir Thomas Caparelli nickten beeindruckt.
Und beeindruckt sein sollten sie auch , dachte White Haven, der hinter seinem Bruder stand und zuhörte, was Matthews über die enormen Aktivitäten auf der Blackbird-Werft zu sagen hatte.
Dabei haben sie nicht einmal die Spezifikationen dieser Klasse gesehen und wissen gar nicht, wie tief ihr Erstaunen eigentlich sein sollte , erinnerte er sich mit trockenem Humor. Möchte zu gern wissen, wie Caparelli reagiert.
Der Gedanke kam und ging, flackerte durch White Havens Kopf wie ein automatischer Reflex, der seine Aufmerksamkeit in keiner Weise von der Szene jenseits des Sichtfensters ablenkte. Im Laufe der letzten Monate war er oft hier gewesen, und trotzdem faszinierten ihn der Anblick und die Betriebsamkeit dieser Raumwerft immer wieder aufs Neue, denn Blackbird unterschied sich grundlegend von den riesigen Raumstationen im Sternenkönigreich.
Trotz der relativen Primitivität seiner Technologie unterhielt Grayson nun fast ein halbes Jahrtausend lang ein großangelegtes Raumfahrtprogramm. Zu Anfang war es gewiss nichts gewesen, womit man sich brüsten konnte. Damals hatte man – nur knapp – die Kapazität besessen, die Verlierer des Bürgerkriegs in das benachbarte Sonnensystem Endicott zu verbannen, doch lag das System weniger als vier Lichtjahre entfernt, ein interstellarer Katzensprung. Selbst dazu hatte zunächst eine einfachere Variante des Pineau’schen Kältetiefschlafs entwickelt werden müssen; nachdem weniger als zehntausend ›Kolonisten‹ über den interstellaren Abgrund transportiert waren, blieb der ohnedies vom Bürgerkrieg verwüstete Planet Grayson wirtschaftlich ausgeblutet zurück. Die Überlebenden sahen sich in ihren Anstrengungen, sich das eigene Sonnensystem Untertan zu machen, um wenigstens fünfzig Jahre zurückgeworfen. Nur diese schwere Last hatte es ermöglicht, die geschlagenen Wahren Gläubigen (mitsamt ihrer Bombe des Jüngsten Gerichts) vom Planeten zu schaffen, und daher hatten Benjamin IV. und seine Regierung es irgendwie ermöglicht.
Doch das lag nun sechshundert Jahre zurück. Seitdem war die Präsenz der Graysons im Weltraum außerordentlich angewachsen, obwohl es dabei Höhen und Tiefen gegeben hatte – insbesondere eine Periode von achtzig Jahren, in der das Konklave der Gutsherren sich gezwungen sah, gegen drei aufeinanderfolgende Protectoren zu kämpfen. Diese Protectoren verfolgten eine Dogmatik, die ihren neo-ludditischen Vorfahren gut angestanden hätte, und sie wollten sich lieber ›praktischen‹ Problemen auf der Planetenoberfläche zuwenden und die grenzenlosen Möglichkeiten ignorieren, die das Weltall bot. Als Grayson sich der Manticoranischen Allianz anschloss, verfügte die Welt über eine Raumfahrt-Infrastruktur, die fast so ausgedehnt war wie die von Manticore A, freilich weitgehend unterlichtschnell und bei weitem primitiver. Um diese Infrastruktur zu unterhalten, waren erheblich mehr Arbeitskräfte nötig als in Manticore A, eine Notwendigkeit, die sich durch den Mangel an fortschrittlicher Automatisierung ergab, und die Graysons hatten grundsätzlich ihre eigene Auffassung, wie man Probleme angehen sollte.
»Verzeihen Sie, Hochadmiral«, fragte Caparelli in plötzlich sehr angespanntem Ton, »aber ist das …?« Er lehnte sich näher an den Armoplast, fast drückte
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