Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
klug, ihm indirekt unter die Nase zu reiben, was sie von ihm hielt. Doch in dieser einen Hinsicht konnte sie nicht anders – trotz allem, was schon Machiavelli über die Folgen gesagt hatte, die man heraufbeschwor, wenn man dem Gegner nur kleine Verletzungen zufügte. Styles war solch ein giftiges, lästiges, selbstgefälliges, dummes, aufdringliches, unfähiges und nutzloses Ekel, dass man einfach etwas gegen ihn unternehmen musste. Dass ihre Reaktion ebenso kleinlich war wie er selbst, erschien ebenso passend wie unausweichlich.
Welches Vergnügen sie auch immer daran hatte, Styles den begehrten Luxus zu verweigern, es gab auch andere Gründe für ihre Entscheidung: Hätte sie einen ehemaligen Gefangenen zu ihrem Steward gemacht, so wäre sie sich anmaßend vorgekommen. So, wie es nun war, hatte sie wenigstens einen Grund, Styles’ Ansprüche zurückzuweisen, der nicht ihrem Trotz entsprang. Vermutlich hätten die meisten befreiten Gefangenen ihr einen Steward gern zugestanden, doch sie wollte keinesfalls Mauern zwischen sich und ihren Untergebenen errichten. Schlimm genug, dass sie sich auf ihren graysonitischen Flottenadmiralsrang berufen musste, damit Styles sich mäßigte. Nun auch noch Personal um sich zu scharen, das sie von den Menschen isolierte, die sich auf ihre Führung verließen – das wäre zu viel gewesen.
Und dann gibt es noch einen ganz anderen triftigen Grund , sagte sie sich, als sie aufstand und ihren Schlips ergriff. Ihr Steward war allein MacGuiness, und sie war sein Admiral, und sie wollte niemandem gestatten, auch nur vorübergehend in dieses Verhältnis einzudringen.
Hinter ihr bliekte Nimitz erneut vor Vergnügen, doch gleichzeitig übermittelte er ihr seine Zustimmung. MacGuiness war auch Nimitz’ Freund, und er vermisste ihn ebenso schmerzlich wie Honor. Schließlich wusste MacGuiness am besten, wie Nimitz sein Kaninchen am liebsten aß.
Honor warf dem ‘Kater ein schiefes Grinsen zu, dann ging sie zur Schlafzimmertür und drückte mit dem Ellbogen auf den Knopf. Die Tür fuhr geräuschlos beiseite, und davor wartete – alles andere hätte Honor sehr überrascht – bereits Andrew LaFollet in einer makellosen Uniform der Harringtoner Gutsgarde, die Henri Dessouix ihm angefertigt hatte.
Und das wird noch ein Grund sein, warum Phillips mich erst fünf Minuten nach der Ortung angerufen hat. Ich wette, Harry hat ihr – oder jemand anderem – befohlen, erst einmal Andrew zu verständigen!
Dieser Gedanke war ihr vorher noch nie gekommen, doch nun, da es geschehen war, fragte sie sich, warum sie diesen Schluss nicht schon früher gezogen hatte. LaFollet hatte eingewilligt, dass einige Marineinfanteristen (die er persönlich aus den ehemaligen Kriegsgefangenen ausgescht hatte) ihn beim Wachdienst ablösten, wenn seine Gutsherrin schlief, aber jedes Mal, wenn Honor aus irgendeinem Grund mitten in der Nacht geweckt wurde, war er bereits wach und stand vor ihrer Tür, als hätte er gar nicht geschlafen. Da er aber kein Übermensch war und nachts gelegentlich zu schlafen pflegte, konnte er sein pünktliches Erscheinen nur auf eine Art und Weise bewerkstelligen: Er sorgte dafür, dass jeder instruiert war, ihn zu benachrichtigen, bevor die Gutsherrin geweckt wurde. Tatsächlich war es durchaus denkbar – nein, es war sogar wahrscheinlich , wenn man LaFollet kannte –, dass er alle ihre nächtlichen Anrufe vorher prüfte und abwies, wenn er glaubte, dass jemand anders das entsprechende Problem ebenso gut lösen konnte. Er bevormundete sie, damit sie ihren Schlaf bekam!
All diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während die Tür sich zur Seite schob, doch sie ließ sich nichts davon im Gesicht anmerken. Bevor sie etwas unternahm, wollte sie gewisse diskrete Nachforschungen anstellen, um ihren Verdacht zu erhärten. Sollte sie dabei allerdings herausfinden, dass er wirklich Anrufe abfing, dann war es Zeit für eines ihrer regelmäßigen Gespräche unter vier Augen.
Nicht dass sie sich davon eine grundlegende Besserung versprochen hätte, denn besonders viel hatte sie durch eine Unterredung mit LaFollet noch nie bewirkt.
Mac und Miranda sind vielleicht nicht hier, aber sie wären sicher erfreut zu sehen, wie Andrew an ihrer Stelle die Glucke für mich spielt , dachte sie gequält und hielt LaFollet den Schlips hin.
»Hilfe«, mehr sagte sie nicht und hob das Kinn, sodass er ihr das alberne Ding um den Hals schlingen und binden konnte. Ich hätte doch von Henri einen Schlips zum
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