Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
hatten Recht. Die Entscheidung konnte nur sie fällen. Und die anderen warteten auf ihren Entschluss , und nicht auf einen bloßen ›Vorsatz‹, an dem man später noch Abstriche machen konnte; sie wollten einen festen Plan, den sie bis zum Schluss durchhalten würden – selbst wenn sie dabei umkämen.
»Wenn ein leichteres Schiff zur Diskussion stünde«, sagte Honor schließlich, »dann würde ich mich vielleicht anders entscheiden. Doch hier handelt es sich um einen Mars-Kreuzer. Er masst sechshunderttausend Tonnen – und damit ist er fast so groß und gefährlich wie ein havenitischer Schlachtkreuzer der Vorkriegszeit. Wenn wir den Plan zum Erfolg bringen wollen, benötigen wir eine mobile Gefechtsplattform mit ernstzunehmender Feuerkraft.« Ihre Nasenflügel bebten. »Und deshalb kann ich es nicht rechtfertigen, die Krashnark fortzuschicken.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Ramirez leise, und die anderen Offiziere am Tisch nickten.
Honor spürte ihre Zustimmung und begriff, wie viel diese Zustimmung ihr bedeutete, doch gleichzeitig war ihr bewusst, dass es sich eben nur um Zustimmung handelte. Die Verantwortung aber lag bei ihr, und wenn sie versagte, würde die Schuld am Tod aller über sie kommen.
Trotzdem blieb ihr keine andere Wahl. Sie konnte die Kriegsgefangenen, die trotz der Umstände auf Hell nie den Mut verloren hatten, ebenso wenig im Stich lassen wie die nicht-alliierten Kriegsgefangenen, die es ihr erst ermöglicht hatten, Camp Charon zu erobern und zu sichern.
Ein ›kalkuliertes Risiko‹ , dachte sie. So nannte man auf Saganami Island doch eine Entscheidung dieser Art? Und der Begriff passt natürlich perfekt. Aber es ist etwas anderes, wenn man historische Beispiele dafür in der Klasse analysiert. Im Nachhinein lässt sich leicht sagen, ob die Menschen, die diese Risiken auf sich genommen haben, nun versagt haben oder nicht. Aber ich muss hier und jetzt die Verantwortung selber übernehmen!
»Also schön«, sagte Flottenadmiral Lady Dame Honor Harrington ruhig, gelassen und selbstsicher, »wir behalten die Krashnark . Alistair, Sie und Harry schnappen sich Gerry Metcalf und Master Chief Ascher. Wir müssen so viele Leute wie möglich an havenitischem Gerät zur Gefechtstauglichkeit schulen, denn damit mein Plan funktioniert, benötigen wir mehr Schiffe als einen einzigen Schweren Kreuzer. Aber unser Beuteschiff hat sowohl Simulatoren an Bord als auch komplette Handbücher aller Hardware in den Datenbanken. Deshalb benutzen wir die Krashnark als Schulschiff, auf dem wir im Eilverfahren ausbilden.«
»Jawohl, Ma’am.« McKeon machte sich in seinem erbeuteten havenitischen Memopad eine Notiz. »Ich kralle mir Gerry, sobald die Besprechung vorüber ist. Harry«, wandte er sich an Captain Benson, »könnten Sie Commander Phillips und vielleicht … Lieutenant Commander Dumfries abstellen, um Gerry und mir bei der Planung zu helfen?«
»Dann muss ich die Wachrolle ein wenig ändern, aber ein Problem sollte es nicht sein«, antwortete Benson nach kurzem Nachdenken.
»Vergewissern Sie sich, dass Sie wirklich auf die beiden verzichten können, Harry«, warnte Honor sie. »Denn sobald Alistair den Plan fertig hat, werden wir, das heißt Sie, Jesus und ich, die Köpfe zusammenstecken und uns Gedanken über unsere Taktik machen müssen. Ich habe zwar ein paar Ideen, aber um unser Vorhaben in die Tat umzusetzen, müssen wir erheblich mehr Leistung aus den Abwehrsatelliten kitzeln, als ursprünglich angenommen. Haben Sie denn Leute, um Phillips und Dumfries zu ersetzen?«
»Die habe ich«, antwortete Benson.
»Also gut, wenn das so ist …«
Mit gemessenem, konzentriertem Gesichtsausdruck wandte Honor sich Cynthia Gonsalves zu. Nun lief ihr Verstand ruhig und effizient. Zweifel gab es keine mehr. Sie hatte sich entschieden, Geist und Gedanken stellten sich ohne den Schatten von Unsicherheit der Herausforderung entgegen. So tief war sie in die Arbeit versunken, dass sie nicht bemerkte, wie McKeon und Ramirez über den Tisch hinweg ein breites Grinsen tauschten.
43
Bürger Lieutenant Commander Heathrow war nicht im Geringsten erfreut gewesen, als er seine Order erhielt, aber auch nicht so unglücklich, dass er sich seinen Missmut hatte anmerken lassen. Für einen havenitischen Offizier war es bereits alles andere als ratsam, wenn er gegen die Befehle des Admiralstabs der Volksflotte Einwände erhob – von Befehlen der SyS ganz zu schweigen.
Trotzdem betrachtete er es als unfair,
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