Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Benjamin.
»Würdest du bitte damit aufhören, es mir ›schonend‹ beibringen zu wollen, und endlich den Mund aufmachen?«, knurrte Clinkscales und fügte, nur um nicht allzu barsch zu klingen, noch ein weiteres »Euer Gnaden« hinzu.
»Also schön. Die Lösung besteht darin, den Schlüssel von Harrington demjenigen zu übertragen, der den größten Anspruch darauf hat – und die größte Erfahrung darin, ihn zu tragen, zumindest als Bevollmächtigter.«
Clinkscales starrte Benjamin für wenigstens fünfzehn Sekunden wortlos an. Dann sprang er auf.
» Nein! Ich war ihr Regent, Benjamin – nur ihr Regent ! Niemals würde ich … ich würde niemals … Das wäre … Verdammt, sie hat mir vertraut ! Ich könnte doch nie … niemals ihren Schlüssel usurpieren ! Das wäre –«
»Setz dich, Howard!« Zum ersten Mal sprach Benjamin mit peitschendem Befehlston, und seine drei Wörter unterbrachen Clinkscales mitten im gestammelten Protest. Der Regent schloss den Mund und starrte den Protector an, dann setzte er sich wieder in seinen Sessel, und eine zerbrechliche Stille legte sich über den Raum.
»Schon besser«, sagte Benjamin schließlich mit fast schockierender Gelassenheit. »Ich verstehe deine Bedenken, Howard. Ja, ich habe sie sogar erwartet – und nur deshalb habe ich versucht, es dir ›schonend beizubringen‹, wie du es ausgedrückt hast. Aber ›usurpieren‹ würdest du nun wirklich nichts. Beim Prüfer, Howard! Wie viele andere Männer auf Grayson haben dem Schwert auch nur halb – nur ein Zehntel! – so gut gedient wie du? Unter jedem Aspekt bist du die bestmögliche Wahl. Du hast mit deinen Taten jede Ehrung verdient, die ich dir erweisen könnte. Du warst Lady Harringtons Regent, wann immer ihre Offizierspflichten sie zwangen, den Planeten zu verlassen, und du bist de facto Gutsherr gewesen. Sie hat dir vertraut, und du weißt am besten, worauf sie hoffte, was sie plante – wer sonst könnte das sagen?« Benjamins Stimme wurde weich. »Und sie hat dich sehr gemocht, Howard.« In Clinkscales’ Augen glänzte es verräterisch, doch rasch wandte der alte Mann den Blick ab. »Ich weiß niemanden sonst auf Grayson, den sie lieber als ihren Nachfolger und Beschützer ihrer Siedler gesehen hätte als dich.«
»Ich …«, hob Clinkscales an, verstummte jedoch schon nach dem ersten Wort und holte tief Luft. Lange hielt er sein Gesicht abgewandt, dann zwang er sich, dem Protector in die Augen zu sehen.
»Du könntest Recht haben«, sagte er sehr leise. »Was ihre Gefühle angeht, meine ich. Und ich habe immer gern ihre Siedler beschützt – an ihrer Stelle. Das hätte ich bis ans Ende meines Lebens gern getan. Aber nicht so. Bitte verlange mir das nicht ab. Bitte. «
»Aber Howard …«, wandte Prestwick ein, doch Clinkscales hob Schweigen gebietend die Hand und begegnete mit unermesslicher Würde Benjamins Blick.
»Du bist mein Protector, Benjamin. Ich ehre und respektiere dich, und so, wie es meine Pflicht ist, werde ich dir bei allem, was rechtens ist, aufs Wort gehorchen. Aber bitte verlange das nicht von mir. Du hast gesagt, sie hätte mich sehr gemocht, und ich hoffe, du hast Recht damit, denn wie sehr ich sie gemocht habe, weiß allein der Fürbitter. Wie meine eigene Tochter habe ich sie geliebt. Niemals brächte ich es über mich, ihren Platz einzunehmen und ihren Schlüssel zu tragen, so wie kein Vater das Erbe seines eigenen Sohnes antreten könnte. Bitte mich nicht darum. Es wäre … einfach falsch.«
Erneut herrschte Schweigen, bis Benjamin sich räusperte.
»Wärst du denn wenigstens bereit, weiter als Regent zu dienen?«
»Das wäre ich – solange ich mir sicher bin, dass du nicht versuchst, mich in eine andere Position zu drängen«, erwiderte Clinkscales, und Benjamin wandte sich an Prestwick.
»Henry? Könnte das gehen?«
»Auf kurze Sicht, Euer Gnaden?« Der Kanzler schürzte erneut die Lippen. »Vermutlich schon. Aber langfristig?« Er wiegte den Kopf und wandte sich Clinkscales zu. »Wenn Sie den Schlüssel nicht annehmen, Howard, dann haben wir die Krise nur hinausgezögert. Natürlich wäre auch das schon etwas wert. Wenn wir sie weitere zehn Jahre abwenden könnten, hätten sich die Spannungen bis dahin sicherlich weitgehend gelegt. Vielleicht brauchten wir uns dann nicht einmal mehr um Haven und den Krieg Gedanken zu machen. Aber bis wir einen rechtmäßigen, bekannten und vor allem anerkannten Erben für den Schlüssel von Harrington haben, schwebt all die
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