Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
vollkommen Recht, wie die anderen Gutsherren auf jeden Versuch meinerseits reagieren würden, den Schlüssel von Harrington einem ›Fremdweltler‹ zu übergeben. Außerdem weiß ich nicht genug über diesen Devon Harrington, um vorhersagen zu können, was für eine Sorte Gutsherr er abgeben würde. Soviel ich weiß, ist er Geschichtsprofessor, also könnte er sich besser schlagen, als man vielleicht glaubt. Es könnte aber auch bedeuten, dass er als Akademiker in keiner Weise darauf vorbereitet ist, die Befehlspflichten eines Gutsherrn wahrzunehmen.«
»Nun, damit hatte Lady Harrington nun wirklich keine Schwierigkeiten«, murmelte Prestwick, woraufhin Benjamin schnaubte.
»Die hatte sie allerdings nicht, Henry. Ganz gewiss nicht, der Tröster hab sie selig.« Er schwieg kurz. Sein Blick war warm geworden, als die Erinnerung ihn überkam, nicht düster vor Trauer. Nun riss er sich zusammen. »Doch um auf Professor Harrington zurückzukommen: Zunächst stellt sich die Frage, ob ihm überhaupt in den Sinn gekommen ist, dass er vielleicht etwas von ihr erbt. Haben wir denn ein Recht, sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen? Würde er den Schlüssel vielleicht sogar ablehnen, falls wir ihm das Amt anböten?«
»Aber wenn wir es ihm nicht anbieten, öffnen wir die Büchse der Pandora vielleicht erst recht«, wandte Prestwick leise ein. Clinkscales sah den Kanzler erstaunt an, und Prestwick zuckte mit den Achseln. »Laut unserem Vertrag mit Manticore haben sich das Protectorat und das Sternenkönigreich verpflichtet, die Rechtsverbindlichkeit der bürgerlichen Gesetze und Verträge bilateral anzuerkennen – und das schließt Ehe- und Erbrecht ein. Nach manticoranischem Recht ist Devon Harrington jedoch der Erbe Lady Harringtons: Er ist es, der ihren manticoranischen Titel erbt und Earl Harrington wird.«
»Und?«, fragte Clinkscales, als Prestwick schwieg.
»Und wenn er den Schlüssel von Harrington will und wir ihn ihm nicht geben wollen, dann verklagt er uns vielleicht auf Herausgabe.«
»Den Protector und das Konklave verklagen?« Clinkscales starrte ihn ungläubig an.
»Wieso nicht?«, entgegnete der Kanzler ungerührt. »Das wäre doch ein großartiger Fall für unser Oberstes Gericht – oder für das manticoranische. Es wäre schon faszinierend, welchen Gerichtsstand er sich aussucht und wie der Fall vorgebracht wird. Doch andererseits wäre es wohl ebenso spannend zuzusehen, wie eine Zeitbombe die Sekunden herunterzählt … jedenfalls, solange sie nur tickt.«
Clinkscales wandte sich wieder dem Herrscher zu. »Aber … aber du bist der Protector !«, wandte er ein.
Benjamin hob die Schultern. »Gewiss bin ich das. Aber ich bin auch der Mann, der diesen Planeten zu reformieren versucht, weißt du noch? Wenn ich darauf bestehe, dass meine Gutsherren ihre Autonomie aufgeben und der Verfassung gehorchen, dann muss ich mich selber erst recht daran halten. Leider ist der verfassungsrechtliche Präzedenzfall hier überaus klar. Man kann mich verklagen – nicht in eigener Person, aber als Protector und Staatsoberhaupt –, um mich zu zwingen, geltendes Recht einzuhalten. Und nach der Verfassung besitzen Verträge mit fremden Mächten Gesetzeskraft.« Er hob erneut die Schultern. »Ich glaube zwar nicht, dass einer Klage vor unserem Obersten Gericht stattgegeben würde, nicht bei unseren existierenden Erbgesetzen, aber der Prozess könnte sich jahrelang hinziehen, und die Auswirkung auf die Reformen und vermutlich sogar auf die Kriegsanstrengungen wäre höchst fatal. Wenn Devon Harrington mich vor einem manticoranischen Gericht verklagt, könnte er sogar gewinnen, und dann stünde unsere Regierung mit der des Sternenkönigreichs Nase an Nase, während wir gleichzeitig gegen Haven um unser Leben kämpfen. Das wäre nicht gut, Howard. Das wäre alles andere als gut.«
»Da stimme ich dir zu«, sagte Clinkscales, aber er hatte die Augen zusammengekniffen. Er stellte das Ende des Stabes zwischen die Füße und umklammerte ihn mit beiden Händen, während er misstrauisch den Protector musterte. »Da stimme ich dir zu«, wiederholte er, »aber ich kenne dich wirklich gut und spüre, dass du auf irgendeine Fiesheit abzielst. Du hast das Ganze schon durchdacht und bereits entschieden, was du tun willst, bevor du mich herbestellt hast, habe ich Recht?«
»Nun … ja, zugegeben.«
»Dann spuck’s aus, Euer Gnaden«, befahl der alte Mann grimmig.
»Es ist nicht kompliziert, Howard«, versicherte ihm
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