Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
legte sie an Gewicht zu, obwohl sie sich ebenfalls nur von Eisernen Rationen ernährte. Das sprach Bände darüber, wie schlecht die SyS-Wärter sie ernährt hatten. Noch immer hatte sie zehn Kilogramm Untergewicht, und sosehr es ihr auch missfiel, dass ihre Leute sie ›verwöhnten‹ oder ›bevormundeten‹ – war Alistair McKeon war fest entschlossen, genau damit weiterzumachen, und zwar so lange, bis Fritz Montaya sie für hundertprozentig geheilt erklärte.
»Hast du dir schon Gedanken über unser weiteres Vorgehen gemacht?«, fragte er Honor, und sie zog die rechte Braue hoch. Zum ersten Mal seit der Landung erkundigte er sich offen danach. Sie verbarg ein Grinsen, denn sie begriff, dass McKeon offenbar meinte, sie befinde sich auf dem Weg der Besserung – ansonsten hätte er nämlich niemals auch nur versucht, sie zu Kommandoentscheidungen zu drängen.
»Ein paar«, gab sie zu. Sie hörte auf, Nimitz zu striegeln, und schob den Kamm in die Hüfttasche. Dann bückte sie sich und holte die Wasserflasche aus dem Rucksack.
McKeon unterdrückte den reflexartigen Drang, sie Honor wegzunehmen und für sie aufzuschrauben. Gewiss, er hatte zwei Arme, wo ihr nur einer blieb, doch er konnte sich bildhaft vorstellen, wie sie auf einen Bemutterungsversuch reagieren würde. Deshalb sah er ihr nur ungerührt zu.
Sie klemmte sich die Flasche zwischen die Knie, schraubte den Deckel ab, legte ihn neben sich auf den Baumstamm und hielt Nimitz die Flasche hin. Mühsam richtete sich der ‘Kater auf. Da er sein verkrüppeltes Bein nicht benutzen konnte, torkelte er. Mit beiden Echthänden griff er nach der Flasche. Er nahm einen langen Zug von dem eiskalten Wasser, dann seufzte er wonnig und lehnte sich an Honor. Er rieb seinen Kopf gegen ihre Brust, während sie die Flasche zuschraubte und wieder in den Rucksack steckte.
Einige Sekunden lang streichelte sie ihm das Kinn. Sein Schnurren war nun weit lebhafter als zuvor. Honor vermutete, dass sie sein Fell mit dem Kamm allmählich so weit ausgedünnt hatten, dass Nimitz wohl nicht mehr allzu viele Haare verlieren würde. Sie teilte das Entzücken, mit dem er bemerkte, wie viel kühler er sich nun fühlte. Sie lachte und rieb ihm das Kinn noch einmal, dann wandte sie sich wieder McKeon zu.
»Ich glaube, allmählich formen sich die groben Scherben zu einem Bild«, sagte sie und tippte sich mit dem Finger gegen die Schläfe. »Wir werden uns trotzdem sehr vorsichtig bewegen müssen. Und es wird einige Zeit in Anspruch nehmen.«
»Sich vorsichtig zu bewegen ist das geringere Problem«, entgegnete McKeon. »Aber die Zeit. Damit könnte es kompliziert werden. Es hängt ganz davon ab, wie viel wir davon brauchen.«
»Ich denke, das schaffen wir«, sagte Honor nachdenklich. »Unser großes Problem ist das Essen.«
»Natürlich«, stimmte McKeon zu. Wie die meisten Beiboote eines Kriegsschiffs waren die Shuttles als Rettungsboote ausgerüstet und hatten genügend Lebensmittel an Bord, um eine angemessene Menge Überlebender etwa eine Woche lang zu ernähren; die Flüchtigen verloren sich jedoch fast in den Sturmshuttles, so viel Raum gab es dort. Von dem, was einer ›angemessenen‹ Zahl Überlebender eine Woche lang gereicht hätte, konnten sie sich mehrere Monate verpflegen. Seine ursprüngliche Einschätzung hatte sich als zu pessimistisch erwiesen, und zwar um einen Faktor von vierzig Prozent. Trotzdem gab es eine Obergrenze, bis zu der sie ohne weitere Nahrungsquelle ausharren konnten. Honor und McKeon fühlten sie gleichermaßen immer näher kommen.
»Hat Fritz schon irgendetwas gefunden?«, fragte er.
»Nein, ich fürchte nicht«, antwortete Honor seufzend. »Er hat alles, was uns in die Hände gefallen ist, durch den Analysator gejagt. Wenn sich die Proben, die Warner und du gesammelt habt, nicht radikal von allen anderen einheimischen Organismen unterscheiden, besteht nur wenig Hoffnung. Unser Verdauungstrakt kann die allermeisten Mineralstoffe, die wir brauchen, aus den einheimischen Pflanzen isolieren, und die meisten Arten bringen uns auch nicht um, Wenn wir sie essen, aber mehr gibt’s nicht. Wir haben nicht einmal die richtigen Enzyme, um das einheimische Äquivalent von Stärke zu spalten. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich lege keinen Wert darauf, dass sich ein großer Klumpen unverdaulicher Pflanzenmasse durch meine Eingeweide wälzt. Es steht eigentlich fest, dass wir unsere Eisernen Rationen nicht strecken können, indem wir uns von der
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