Honor Harrington Bd. 16
musste. Angesichts der verderbten Natur seiner Schwester hätte es ihm von Anfang an klar gewesen sein müssen, dass es diese Hure bei der ersten Gelegenheit zu diesem Sündenpfuhl zog wie eine Motte ans Licht. Wenn er auch unter Zeitdruck ausgezeichnet geplant hatte, so war die Hast zum Teil auf seine Nachlässigkeit zurückzuführen.
Er brach sein Grübeln ab. Jedes Mitglied seiner Gruppe war nun bewaffnet - viele sogar mit mehr als einer Waffe -, und sie konnten den nächsten Teil in Angriff nehmen. Seine Männer hatten die Leichen in die Waffenkammer gezerrt, und einer hatte einen Lappen gefunden und wischte das Blut auf, das eines ihrer Opfer auf den Boden gehustet hatte.
»Nur die Ruhe«, sagte Gideon. »Bis jemand hierher kommt, ist es egal.«
Sein Vetter und oberste rechte Hand, Abraham Templeton, sah ihn mit hochgezogener Braue an.
»Du hast dich also entschlossen, auch die Wachen zu töten, die noch im Hangar stehen?«
»Ja. Du hast gehört, was der eine Wachmann mir sagte, als ich mich beiläufig erkundigte. In diesem Hangar wird in den nächsten Stunden kein weiterer Shuttle erwartet.«
Abraham nickte, eine Gebärde nicht nur der Zustimmung, sondern auch des Respekts. Auch hier hatte Gideon vorgeplant und mit Bedacht einen Shuttle genommen, der zum Ende der Hauptgeschäftsstunden der Station eintraf und höchstwahrscheinlich in einen Hangar dirigiert wurde, den man nur zu Stoßzeiten einsetzte - und so war es dann auch gekommen.
»Die Zeit genügt uns für den Rest«, fuhr Templeton fort, »und dann lösen wir ohnehin sämtliche Alarmsysteme aus. Es ist sicherer, wenn wir niemanden zurücklassen, der hierher kommen und frühzeitig den Alarm auslösen könnte.«
Abraham nickte und inspizierte rasch die Gruppe, die vor ihm angetreten war. Sein Blick haftete einen Moment länger auf den Neubekehrten. Obwohl sie mit den fortschrittlicheren Waffen nicht vertraut waren, verstanden sie sich auf die einfachen Waffen ebenso gut wie auf den waffenlosen Kampf.
Stash erwiderte Abrahams Blick mit einem trägen Grinsen. »Leicht wie das Schafeschlachten.«
Und in der Tat, so war es. Gideons Ehrfurcht verstärkte sich infolgedessen. Die Wege des Herrn sind wahrhaft unerforschlich. Und wenn es Gott gefiel, Gideon mit ansonsten fehlerhaften Werkzeugen zu versehen, um sein Werk zu tun, so war Gideon Templeton kein Mann, der den Willen des Herrn hinterfragte.
Templeton hatte dieses Stadium seines Planes große Sorgen gemacht. So große, dass er beinahe Abrahams Rat befolgt hätte, die beiden verbliebenen Wachleute im Hangar nicht zu behelligen. Im Grunde war das Problem, dass man es nicht wagen konnte, die Wachleute anzugreifen, solange sie im Hangar waren. Ganz gleich, wie nachlässig sie sein mochten, selbst schlecht bezahlte Sicherheitskräfte konnte man nicht durch einen frontalen Angriff ausschalten, bevor sie zumindest einige Alarme auslösten. Und da der Rauschgenerator keine echten Waffenentladungen kaschieren konnte, entstand ein zusätzliches Risiko dadurch, dass es einem Wachmann womöglich gelang, seinen Pulser abzufeuern.
Stash hatte Templeton versichert, dass er das Problem durch eine Täuschung handhaben könne. Oder - wenn Stash einem der getöteten Wachleute nicht ähnlich genug sah - an seiner Stelle ein anderer Neubekehrter.
Und so kam es auch. Gideon konnte die Ereignisse dank einer winzigen Holowanze, die Jacob eingerichtet hatte, indirekt verfolgen.
Den Hangar verband ein kurzer Korridor mit dem Sicherheitsfoyer. Im Gegensatz zum Hangar oder dem Foyer wurde er nicht audiovisuell überwacht. Energiesensoren gab es wahrscheinlich dennoch, doch sie spielten keine Rolle.
Gideon fiel es schwer, ein verächtliches Grinsen zu unterdrücken - doch es gelang ihm, weil er stets der Sünde des Stolzes eingedenk war. Bei heidnischen Sündern konnte man stets darauf zählen, dass sie aus Geiz die Sicherheit aus den Augen verloren. Wären gottesfürchtige Männer für die Sicherheit der Station verantwortlich gewesen, so wäre jeder einzelne Winkel audiovisuell überwacht worden - und in der Sicherheitszentrale hätten scharfäugige Wahre Gläubige gesessen. Doch die habsüchtige Leitung des Sündenpfuhls scheute naturgemäß die Ausgabe und überwachte daher nur die wichtigen Bereiche.
Gideon beobachtete Stash, der nun die Uniform eines toten Wachmanns annähernd seiner Statur trug, wie er den Gang entlangschlenderte. Schlendern war durchaus das richtige Wort - kein alter Wahrer Gläubiger hätte
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