Honor Harrington Bd. 16
einen weiteren Pulser, der sich ihr aus der linken Flanke näherte, verwand sich, zielte mit der Waffe an ihrem Körper vorbei, richtete ihn auf den Feind. Der Mann sah ihr aus weniger als vier Metern in die Augen. Seltsame Augen hatte er, sagte ihr ein blitzartiger Gedanke, und ein Erinnerungssplitter brüllte ihr das Wort: Schwätzer! zu. In diesen Augen stand Entsetzen: Unglaube, wie schnell und tödlich das zahlenmäßig weit unterlegene Detachement auf die Bedrohung reagiert hatte, vermischt mit Hass und der Arroganz des Raubtiers, die flüchtig etwas anderem wich, als die Mündung ihrer Waffe auf ihn zeigte.
Sie drückten im gleichen Sekundenbruchteil auf den Abzug.
Wahrhaft hätte niemand eine glänzendere Reaktion von den Soldaten des Queen’s Own erwarten können, denn sie kämpften unter Umständen, wie sie schlimmer kaum vorzustellen waren: ein Schusswechsel im Stehen auf Kernschussweite mitten in einer gewaltigen Menschenmenge als Reaktion auf einen mit zahlenmäßiger Überlegenheit vorgetragen Überraschungsangriff von allen Seiten. An der Ehrenmauer im Dauerkasino des Queen’s Own Regiment im Mount Royal Palace würden die Namen aller Angehörigen des Detachements eingemeißelt werden, daneben das Adriennekreuz, das jeder von ihnen für ihre oder seine Tapferkeit an diesem Tag empfangen hatte.
Alle posthum. Am Ende wurden sie von einem übermächtigen Feind aufgerieben.
Durch den Nebel seines Schocks hörte Griggs die Schreie, die durch den riesigen Spielsalon gellten. Im Gegensatz zu seinen Leuten, die sich Mühe gegeben hatten, keine Unschuldigen zu treffen, waren die Angreifer absolut rücksichtslos vorgegangen. Nicht einmal das Queen’s Own hatte vermeiden können, in einem Kampf wie diesem Unschuldige zu treffen; wer etwas anderes annahm, machte sich etwas vor - oder wusste nicht, was es bedeutete, mit einer modernen Hochgeschwindigkeitswaffe zu feuern. Nein, es musste unschuldige Opfer gegeben haben, zumal auch die Wachleute mit ihrem weitaus geringeren Ausbildungsstand in den Kampf eingegriffen hatten. Doch die masadanischen Terroristen waren durch ihre vollkommene Gleichgültigkeit, ob Unbeteiligte zu Schaden kamen, viel, viel schlimmer. Überall war Blut, überall lagen reglose Leiber. Ein ausgemachtes Gemetzel. Allein die Zahl der Angreifer verriet Griggs, dass es sich um eine großangelegte Operation handelte. Wer immer den Angriff geplant hatte, würde auch dafür gesorgt haben, dass jede mögliche Bedrohung ausgeschaltet wurde, da war Griggs sich sicher.
Weiter kam er nicht in seinen Überlegungen, außer, dass er seine eigene Sterblichkeit begriff. Selbst wenn ihm nichts
mehr geschah, wäre er dank der bereits erlittenen Wunden längst verblutet, wenn medizinische Hilfe ihn erreichte.
Es gelang ihm, den Kopf so weit zu drehen, bis er die beiden jungen Frauen sah, die unter dem Spieltisch hockten. Zilwickis Tochter wirkte angesichts der Umstände erstaunlich gefasst. Die echte Prinzessin in ihrem bei weitem einfacheren Kleid machte den Eindruck, als sei sie ein wenig gelähmt, doch das konnte auch mit der Beule an ihrer Stirn Zusammenhängen. Ahmed nahm an, dass Christina oder Laura sie grob zu Boden geworfen hatte. So viel begriff er, dann durchfuhr ihn ein neuer Schmerz, der nichts mit seinen Wunden zu tun hatte, denn er sah Laura Hofschulte in einer Gischtwolke aus Blut und Gewebe zu Boden gehen.
Dann wurde es schwarz um ihn.
Die manticoranischen Soldaten waren allesamt tot. Templeton war entsetzt über die Wirksamkeit des Widerstands, den sie geleistet hatten. Innerhalb der wenigen Sekunden, die es gedauert hatte, um sie niederzukämpfen, hatten die Queen’s Own über ein Viertel seiner Streitmacht getötet - und mehr als vierzig Prozent derjenigen, die direkt gegen die Prinzessin vorgingen. Templeton war sich gewahr gewesen, dass ihm Elitesoldaten gegenüberstehen würden, doch er hatte nicht einmal ansatzweise mit solch unverzüglicher, mörderischer Reaktion gerechnet. Nicht bei den Vorteilen, die er durch einen Überraschungsangriff auf günstigem Terrain erhielt, geführt von Männern, die so tödlich waren wie seine Neubekehrten.
Einen Moment lang beherrschte Gideon Templeton solche Erschütterung, dass er zu jeder Bewegung unfähig war. Doch dann, nach einer raschen Musterung der überall verstreuten Leichen, beruhigte er sich. Wieder sah er die Hand Gottes am Werk. Die meisten seiner Verluste - acht von zwölf Mann - waren Neubekehrte. Stash, der Widerspenstigste
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