Honor Harrington Bd. 16
Cassetti war die Möglichkeit entgangen, dass der Mann, den er sich für die Schmutzarbeit ausgesucht hatte, sich gegen ihn wenden könnte, wenn die Zeit reif wäre.
Victor ging etwas langsamer. Er näherte sich dem Ausgang und wollte Abraham Templeton und seinen Leuten, die gerade den Spielsalon verließen, nicht auffallen. Sich zu verstecken war nun schwieriger geworden, weil die panische Menge weitgehend aus dem Saal geflohen war. Victor bemerkte einen besonders schmuckvollen Spieltisch mit einer Art Turmaufbau in der Mitte, und ging hinüber, um sich dahinter zu stellen. Die farbenprächtig aufblitzenden Lichter des Turmes würden ihn vor der Entdeckung schützen.
Während er dort wartete, schloss er seine Berechnungen ab. Sie bereiteten ihm keine große Mühe mehr, da er bereits zu dem Schluss gekommen war, dass der Ehrgeiz Rozsak vermutlich bewog, auf sein Angebot einzugehen. Der einzige neue Aspekt bestand in der Erkenntnis, dass Rozsak bei der Ermordung Steins die Fäden gezogen hatte. Was ...
Ja, gewiss, schockierend war. Victor hatte seinen ersten Zorn jedoch schon überwunden und dachte wieder kaltblütig. Tatsächlich war es so, dass Rozsak durch sein Tun umso bereitwilliger auf Victors Pläne eingehen dürfte. Und Cassetti würde sich nicht einmischen. Beiden mussten Victors Pläne für Congo gerade recht kommen, denn beide erhielten sie - wer immer auch in ihrem internen Zwist obsiegte - eine noch moralischere Fassade, um die persönlichen Ambitionen zu kaschieren.
So sei es also. Mit üblem Geschmack im Mund kam Victor zurecht. Hatte er es nichtjahrelang mit Oscar Saint-Just ausgehalten? Victor würde leisten, was immer die Revolution ihm abverlangte.
Flairty würde also sterben. Victor schluckte den Geschmack herunter und beachtete ihn nicht mehr.
Er stellte fest, dass er sich nun fragte, wie die Sache wohl Thandi Palane schmecke. Genauso übel, vermutete er. Er hoffte es. Ob er wollte oder nicht, diese Frau nahm seine Gedanken mehr und mehr in Anspruch.
Auf dem Planeten Erewhon befassten sich noch andere Menschen mit dem Geschmack der Dinge.
»Was zum Teufel geht da vor?« Cassettis Stimme kreischte förmlich aus Captain Rozsaks Ohrhörer.
Rozsak blickte Lieutenant-Commander Watanapongse an, der am Tisch in der Mitte des Suitenzimmers stand und ihm kurz den erhobenen Daumen zeigte. Die Aufzeichnung lief.
Der Captain der Solarian League Navy lehnte sich in den Sessel zurück. »Ich weiß es nicht genau. Den verstümmelten
Berichten, die ich erhalte, entnehme ich, dass die Masadaner offenbar Amok laufen, Sir. Wie Sie sich erinnern, habe ich Sie gewarnt, wie gefährlich es ist, solche Leute zu benutzen.«
»Sie hätten danach ausgeschaltet werden sollen!«
»Und ich habe Ihnen auch gesagt, dass es nicht einfach ist, mehr als vierzig bewaffnete, gefährliche Männer ›auszuschalten‹, es sei denn, ich sollte mit meinem Verband angreifen und die halbe erewhonische Hauptstadt dem Boden gleichmachen. Was vorausgesetzt hätte, dass mich durch die erewhonische Navy kämpfen könnte - was unmöglich ist. Was mir zur Verfügung steht, entspricht der Flottille eines Commodore, die Erewhoner hingegen haben Wallschiffe in der Kreisbahn, Ingemar. Sie hätten mich zerquetscht wie eine Fliege.«
Der Vizegouverneur schwieg. Was konnte er auch entgegnen? Der Plan an sich beruhte unter anderem darauf, dass vor der Öffentlichkeit das hochmoralische Format Gouverneur Barregos’ aufrechterhalten wurde. Einen Krieg mit einer benachbarten Sternnation vom Zaun zu brechen, hätte alle Vorteile zunichte gemacht, die aus der Ermordung Steins entstanden waren - von allem anderen ganz abgesehen.
Als Cassetti wieder sprach, hörte er sich wieder kalt und berechnend an wie immer. »Also gut. Sie haben Recht. Vergossene Milch und so weiter. Was aber schlagen Sie nun vor?«
»Vielleicht habe ich bereits etwas Geeignetes veranlasst, Sir. Templetons Amoklauf hat eine gute Seite: Er befindet sich nicht mehr auf dem Planeten. Es wird erheblich einfacher, ihn zu eliminieren, wo er jetzt ist, ohne dass es zu größerem Kollateralschäden kommt. Und was immer in dieser Hinsicht geschieht, es wird allein Templeton angelastet werden.«
»Das ist wohl richtig. Ich hoffe, Sie haben jemanden abgestellt, der sich kompetent darum kümmert.«
»Die Beste, Sir, wenn es um solche Operationen geht. Die Allerbeste.«
Cassetti brach die Verbindung ohne den geringsten Abschiedsgruß ab.
»Unerzogener Rüpel«, brummte Rozsak. Er
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