Honor Harrington Bd. 16
Schnell.«
Raisha nahm es nickend entgegen und schoss davon, so schnell sie kriechen konnte. Thandi holte noch zwei dieser kleinen Werkzeuge aus dem Kasten und schob ihn dann einer anderen Frau zu, während sie gleichzeitig die Werkzeuge weiterreichte.
»Yana, du und Olga, ihr nehmt den Kasten und die Werkzeuge. Tragt ihn zu dem Lüftungsrohr, das Raisha öffnet, und lasst ihn neben der Öffnung stehen. Dann öffnet ihr mit Raisha alle anderen Lüftungsgitter auf der ganzen Länge des Tunnels bis zurück zu uns. Nicht nur die an den Wänden, sondern auch in der Decke. Verstanden?«
Sie nickten und waren fort. Ohne sich anzustrengen, zog Yana den schweren Werkzeugkasten hinter sich her. Nicht zum ersten Mal sagte sich Thandi, dass es durchaus seine Vorteile habe, wenn die Spezialeinheit, die man führte, aus ehemaligen Schwätzerinnen bestand, ihre oft irritierenden Allüren hin oder her.
Nachdem sie sich um das unmittelbar Erforderliche gekümmert hatte, überlegte sie sich, wie sie ihre Kämpferinnen am besten verteilte. Lange benötigte sie dazu nicht, denn als einzige von ihnen besaß sie selbst die erforderliche Körperkraft und Schnelligkeit für einen unbewaffneten Frontalangriff. Den Rest ihres Trupps wollte sie im Rücken des Gegners postieren und von hinten angreifen lassen.
Rasch skizzierte sie ihren Schlachtplan. Die Frauen schienen ihre Zweifel zu haben, ihren Mienen nach zu urteilen - keine von ihnen versuchte indessen, Einwände zu erheben.
»Seid nicht dumm«, zischte sie. »Sogar für mich wird das schwierig. Tut einfach, was euch gesagt wird.«
Den letzten Satz hatte sie im tiefsten Kaja -Ton ausgesprochen. Einen Augenblick später krochen die Frauen zur nächsten Kreuzungsstelle im Gewirr der Ventilationsschächte. Von dort würden sie sich an eine Stelle begeben, von der sie sich in den Epsilon-Tunnel fallen lassen und Templetons Gruppe von hinten angreifen konnten, nachdem sie unter ihnen vorbeigezogen war. Das Offnen der Verkleidungen am Schachtende würde sie nicht mehr abbremsen, ohne dass Templeton und seine Männer es für eigentümlich halten würden, wenn sie zahlreiche offene Lüftungen sahen - hoffte Thandi. Der Werkzeugkasten vor ihrer Nase sollte eine annehmbare Erklärung dafür liefern.
Thandi tröstete sich über ihre Befürchtungen mit dem Gedanken hinweg, dass Templetons Leute nur über leichte Pulser verfügten - selbst wenn sie misstrauisch wurden, durchdrangen ihre Bolzen die Metallwände der Korridore wahrscheinlich nicht. Kam es zum Schlimmsten, konnten ihre Frauen sich einfach wieder in die Schächte zurückziehen.
Das wäre freilich hart für die Prinzessin, dachte sie. Und noch härter für sie selbst.
Wie auch immer - zu so etwas hatte sie sich schließlich freiwillig gemeldet. Sie hätte schließlich auch auf Ndebele bleiben und das Leben einer Leibeigenen fristen können.
Bei dieser Vorstellung stieg ein solcher Zorn in ihr auf, dass sie in Windeseile den Schacht durchquerte, der zum Epsilon- Tunnel führte. Als sie dort ankam, war die Verkleidung der Öffnung bereits entfernt. Die Öffnung lag in der Decke, und sie sah die Verkleidung an der Wand des Tunnels unter ihr lehnen.
Die Stelle war so gut wie jede andere. Wie ein großes Raubtier auf einem Ast ging Thandi in die Hocke.
Berry Zilwicki war, so lange sie sich zurückerinnern konnte, immer mit starken Nerven gesegnet gewesen. Sie freute sich zu sehen, dass sie sie auch jetzt nicht im Stich ließen.
Warum sollten sie auch? Gewiss, sie befand sich in einer Lage, welche die meisten Leute als ziemlich übel bezeichnet hätten - von religiösen Fanatikern entführt in der Annahme, sie hätten die echte Prinzessin gekidnappt. Wenn sie die Wahrheit erfuhren, töteten sie Berry auf der Stelle. Und selbst wenn sie den Anschein aufrechterhalten konnte, bezweifelte sie, ob ihr Schicksal sich als sonderlich angenehmer erwiese: In diesem Teil der Galaxis war die Brutalität masadanischer Eiferer - besonders Frauen gegenüber - sprichwörtlich.
Dennoch hatte sich Berry schon in schlimmeren Situation befunden. Immerhin war sie in den gesetzlosen Ganggewirren unter der altirdischen Hauptstadt Chicago geboren worden und aufgewachsen - ohne einen Vater, bevor Anton Zilwicki in ihr Leben trat, und einer drogensüchtigen Prostituierten als Mutter, die sowieso die halbe Zeit nicht zu Hause war und kurz nach Berrys zwölftem Geburtstag endgültig verschwand.
Nur die Ruhe, sagte sie sich. Was dich nicht umbringt,
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