Honor Harrington Bd. 16
den Rahmen dieses gesellschaftlichen Anlasses gepasst hätte. Er konnte sich jedoch nicht zügeln. Nur mit größten Schwierigkeiten bezwang er sich, seine Zunge nicht herauszustrecken, wie die Killer des Ballrooms es taten, wenn sie einen Sklavenhalter in die Ecke gedrängt hätte. Die Zuhörer hätten dann die Markierungen gesehen, welche die Gengineure Manpowers ihm aufgeprägt hatten, als er noch ein Embryo war.
»O ja. Darauf können Sie sich verlassen. Wenn Sie das typische Erscheinungsbild des Phänotyps betrachten möchten, der zu einem von Knochenarbeit bestimmten Leben verurteilt gewesen wäre, so sollten Sie sich die ... - was ist sie eigentlich, Captain? Sie sind ein Verwandter der königlichen Familie, wenn ich mich nicht irre ... - eine Cousine, glaube ich. Michelle Henke meine ich. Ihr wurde ich bei der Audienz ebenfalls vorgestellt. Ihren militärischen Dienstgrad habe ich nicht behalten - tut mir leid, ich bin mit den manticoranischen Organisationen einfach nicht genügend vertraut, um die feinen Punkte zu begreifen aber ich glaube, er war recht angesehen. Und ich hatte den Eindruck, darf ich hinzufügen, dass sie diesen Rang aufgrund ihrer eigenen Leistungen erhalten hat und nicht dank des Einflusses der Familie.«
Oversteegen grunzte. »Cousine ersten Grades. Eine Tante der Königin ist Michelles Mutter. Fünfte in der Thronfolge, seit ihr Vater und ihr Bruder bei einem Attentat ums Leben kamen. Sie ist Commodore.« Er grunzte wieder. Auf seine Weise war dieser Laut genauso grimmig wie Du Havels Grinsen. »Und ich kenne keinen einzigen Offizier der Navy - auf jeden Fall keinen dienenden Raumoffizier der glaubt, dass sie den Rang durch Beziehungen bekommen hätte.«
»Genau, sie meine ich. Wenn ich mich nicht irre, ist ihr Phänotyp für das Haus Winton typischer als der der Königin. Sehr dunkle Haut, fast echtes Schwarz. Und in ihrem Fall stimmt auch das Haar. Der Knochenbau des Gesichts vielleicht nicht, aber er ist dicht dran. Doch er hätte ohnehin keine Rolle gespielt, nicht bei dieser Hautfarbe. Das heutige Universum macht sie anstandslos zur Befehlshaberin von Raumflotten. Bei den Alten wäre sie gezwungen worden, ungelernte Schwerstarbeit zu leisten. Und wenn es ihr nicht gelungen wäre, der Aufmerksamkeit des Aufsehers zu entgehen, wäre sie eben in einem Schuppen vergewaltigt worden statt in einem Pflanzerhaus.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Du Havel holte tief Luft und brachte seinen Zorn unter Kontrolle.
Der Captain unterstützte ihn. »Mir tut der arme Bastard leid, der versucht, Mike Henke zu vergewalt’gen!«, schnaubte er. »Oder Elizabeth, wo wir schon dabei sind. Bei ihr’m Temp’rament? Ha! Der Dreckskerl könnt’s vielleicht schaffen, aber sie würd’ ihm die Kehle durchschneiden, bevor der Tag um wär’. Da können Sie sich auch gleich ’n gereizten Hexapuma ins Bett hol’n.«
Ein Kichern ging durch die Menge. Oversteegens grobschlächtige, aber zutreffende Feststellung genügte, um jedem zu Bewusstsein zu rufen, dass sie schließlich doch nicht in den alten Zeiten lebten, die von furchtbarem Aberglauben beherrscht worden waren.
Dennoch hatte die Spannung ausgereicht, um - zu Du Havels großer Erleichterung - den Großteil der Menge zu vertreiben. Ehrengast hin oder her, viele von ihnen waren eindeu- dg zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine zu große Nähe zu W. E. B. Du Havel ein wenig wie eine zu große Nähe zu einem Panther wäre. Gewiss, einem Panther mit einer langen, beeindruckenden Liste von akademischen Würden und renommierten Ehrungen am Schweif, aber nichtsdestotrotz einem Panther - einem Exemplar, das vielleicht nicht direkt gereizt war, aber doch ziemlich unberechenbar.
»Hat sich ’n bisschen ausgedünnt, was?«, fragte der Captain mit einem listigen Lächeln. »Gut. Ich würd’ sagen, dann gibt’s weniger dumme Einwürfe.« Er rieb sich die Hände. »Um auf den spring’den Punkt zurückzukomm’, Professor Du Havel...«
»Web, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Captain. Akademische Titel sind so unhandlich.«
Oversteegen nickte. »Gern, ›Web‹ also.« Er runzelte die Stirn. »Wo wir dabei sind - verzeih’n Sie mir die Frage, aber wofür steht W. E. B. eigentlich? Mir ist grad aufgefall’n, dass ich nirgendwo mehr als die Initialen geseh’n hab’.«
Du Havel schüttelte den Kopf. »Das liegt daran, dass sie für nichts anderes stehen als sich selbst. Ich wusste selbst nicht, wofür sie standen, als der Einreisebeamte auf Nasser
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