Honor Harrington Bd. 16
- etwas schief geht. Und du weißt so gut wie ich, dass irgendetwas immer schief geht. Und dass das Foreign Office dann stets die Navy verantwortlich macht.«
»Admiral Draskovic zufolge bin ich befehlsha’mder Offizier im Erewhon-System«, entgegnete Oversteegen. »Nach den Bestimmungen hat der befehlsha’mde Offizier sich mit Ihrer Majestät Botschafter abzusprechen. Da steht nichts davon, dass nämlicher befehlsha’mder Offizier ein Admiral der Grünen Flagge zu sein hat - ’n kleiner Ensign würd’ auch reichen.«
»Na, dann ist ja alles prima!« Watson schnaubte heftiger. »Ich kenne dich, Michael Oversteegen. Ich weiß nur eines noch nicht: Wie um alles im Universum du es geschafft hast, dass Janacek und der Premierminister noch nicht gemerkt haben, für wie blöde du ihre Politik hältst.«
»Ich muss vergessen ha’m, den Brief abzuschicken«, entgegnete Oversteegen. »Aber wenn ich zu dir ganz ehrlich sein soll, Linda, dann hab’ ich gegen ihr grundsätzliches innenpolit’sches Ziel gar nichts einzuwenden.«
Sie blickte ihn fast fassungslos an, und er schüttelte den Kopf.
»Das grundsätzliche innenpolit’sche Ziel, sagte ich. Was, wenn man’s tüchtig zusammenkocht, darauf hinausläuft, die augenblickliche verfassungsgemäße Machtposition des Oberhauses zu bewahr’n. In dieser Hinsicht bin und bleib’ ich ein Konservativer.« Er grinste über ihr Gesicht, wurde aber rasch wieder nüchtern. »Nur mit der Art, wie sie dies Ziel erreichen woll’n, bin ich ganz und gar nicht einverstanden. Na, und ich hab’ was gegen die offene Korruption und Bestechlichkeit, die sie bereit sind hinzuneh’m oder sogar ermutigen. Ganz gleich, wie wichtig die Aufrechterhaltung des existier’nden verfassungsmäßigen Machtgleichgewichts auch ist, die oberste un’ das politische Tagesgeschäft überwiegende Pflicht der Regierung muss sein - moralisch und pragmatisch gesprochen das Sternenkönigreich und seine Bürger vor dem Verfall zu schützen. Und ich denk’ halt gern, dass man diese Aufgabe ruhig mit ’nem bisschen Integrität erfüllen könnt’.«
Watson blickte ihn einige Sekunden lang über den Schreibtisch hinweg an. Sie hatte schon immer gewusst, dass sich in Michael Oversteegen trotz seiner hochgestochenen Art und seinem absichtsvoll affektierten, weltverdrossenen Zynismus mehr als nur eine Spur von romantischem Idealisten verbarg.
Sie wusste, wie außerordentlich enervierend seine Manierismen sein konnten - sie kannte Oversteegen besser als die meisten Menschen und ärgerte sich dennoch oft genug darüber -, doch dahinter stand ein Mann, der wahrhaft überzeugt war, dass die Privilegien der Adelsmacht vor allem Verantwortung mit sich brachten. Diese Überzeugung hatte ihn vor vielen Jahren bewogen, der Königin Uniform anzuziehen, und sie hatte überlebt, obwohl er durch Geburt und Verwandtschaft machtbesessenen Tunichtguten wie High Ridge nahe stand. Eines Tages, fürchtete sie, würde ihm trotz dieser Nähe seine Ansicht, dass die Pflicht wichtiger sei als Selbsterhalt und Verantwortung wichtiger als Pragmatik, die Karriere kosten. Der Wirbel, der sich dann erhob, würde wahrscheinlich auch auf seine höheren Offiziere abfärben, aber ...
Na, wenn es so weit kommt, könnte ich in schlechterer Gesellschaft sein, dachte sie.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ›Integrität‹ ein Wort ist, das man mit der Gräfin Fraser im gleichen Atemzug nennen sollte«, sagte sie. »Das bringt mich auf deine ursprüngliche Frage zurück, nach unserem Einsatzplan. Ich glaube, wir müssen uns auf einen ziemlich steinigen Einsatz gefasst machen - in vielerlei Hinsicht. Um ehrlich zu sein, sehe ich aber nicht, dass wir viel tun könnten, um uns auf mögliche diplomatische Desaster vorzubereiten. Deshalb würde ich sagen, dass wir uns lieber auf pragmatischere Probleme konzentrieren.«
»Einverstanden. Ganz offensichtlich besteht unsre Mission in erster Linie darin, Flagge zu zeigen, doch als Teil davon tun wir alle unser Bestes, um unsre Beziehung zur erewhonischen Navy zu reparier’n. Oder wenigstens den zusätzlichen Schaden gering zu halt’n. Die Gauntlet genießt dank unsrer Anstrengungen im Tiberian-System ’n gewissen Ruf, und den sollt’n wir uns zunutze machen. Hafenbesuche, Messeeinladungen, das volle Programm. Und alle unsre Leute - nicht nur
Offiziere, sondern auch Unteroffiziere und Mannschaften - sollt’n sich im Klar’n sein, dass ich es ... übel nehme, wenn irgendwas gescheh’n sollte,
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