Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
während Honors Abwesenheit um alles zu kümmern. Honor wusste das. Was sie eigentlich ärgerte, war die Tatsache, dass sie statt in White Haven, wo sie lieber gewesen wäre, jetzt hier in Landing auszuharren hatte. Zugeben allerdings würde sie das niemandem gegenüber.
»Wenn ich dir erklären könnte, warum du hier zu sein hast, hätte ich das längst getan!« Elizabeth Wintons Ton war scharf. »Bedauerlicherweise weißt du aber bereits alles, was ich selbst weiß. Die Leute von Beowulf haben ausdrücklich deine Anwesenheit erbeten. Ansonsten aber sind sie sehr einsilbig. Keine Ahnung, worum es geht oder um wen! Es wurde nur darum gebeten, dass du beim Eintreffen dieses Sondergesandten anwesend bist.« Die Kaiserin kniff die Augen zusammen. »Wäre ich eine wettlustige Zeitgenossin, würde ich einiges darauf setzen, dass es um Verwandte von dir geht. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung, Honor.«
Wieder verzog Honor das Gesicht, stützte beide Hände auf die Fensterbank und lehnte sich näher an die Crysoplastscheibe. Statt herumzuzappeln war das die Art, wie sich bei Honor Nervosität zeigte. Nimitz stieß leise beruhigende Laute aus. Honor blickte ihn an, und sofort zuckten die Finger des Baumkaters.
›Besorgt, es könnten neue schlechte Nachrichten eintreffen‹, signalisierten die Finger geschickt. ›Schlimmer noch: Besorgt, dies könne das Geistesleuchten von Wurzelt-tief wieder verfinstern.‹
Honor blickte ihm in die Augen. Beinahe widerwillig nickte sie. Besser hätte der Baumkatzenname nicht auf ihren Vater passen können. Dr. Alfred Harrington war wirklich tief verwurzelt, genau wie ein alter Baum. Honor war ihr Vater immer wie eine hochaufragende Kroneneiche erschienen, die ihr während der Kindheit öfter Zuflucht und Schutz geboten hatte, als Honor hätte zählen können. Doch die Wurzeln, die ihn vor den Stürmen des Lebens gefeit hatten und ihn mehr ausmachten, als seiner Tochter jetzt lieb war, hatten allesamt einen einzigen Ursprung: seinen Familiensinn. Seine Familie hatte ihm stets aufs Neue gezeigt, wer er war und woher er kam. Die Wurzeln seines Familienstammbaums waren die Wurzeln, durch die Alfred Harrington Halt im Leben fand.
Aus diesem schweren, fruchtbaren Mutterboden hatte er seine Stärke bezogen. Nun war ein Großteil davon beim Yawata-Schlag verbrannt. Nur ganz allmählich erholte Honors Vater sich von diesem Verlust. Seine Wunden jedoch würden wohl niemals ganz verheilen, sich, fürchtete seine Tochter, nie endgültig schließen.
Stinker hat recht , dachte sie. Logisch gesehen mag das keinen Sinn ergeben. Nichtsdestotrotz stimmt es: Ich habe wirklich Angst! Ich habe Angst, dass eine Nachricht von Onkel Al oder sonst jemandem auf Beowulf die Wunden wieder ganz aufreißt. Dabei bezweifle ich ernsthaft, dass die Planetare Direktion einen offiziellen Diplomatischen Vertreter entsenden würde, nur um mir eine Nachricht über meine Familie zukommen zu lassen – vor allem nicht unter derart geheimnisvollen Umständen. Honor schüttelte den Kopf. Bin ich selbst wirklich so empfindlich? Bin ich so von Angst getrieben, dass ich jetzt schon Gespenster sehe?
»Du hast recht«, gestand sie ihrem Gefährten zu und beugte sich weit genug über ihn, dass sie mit ihrer Wange die Nase des ’Katers berührte. »Und wahrscheinlich ist das wirklich ein bisschen albern. Nur …«
»Nur dass auch du bloß ein Mensch bist«, beendete Elizabeth den Satz leise. Honor blickte zu ihr hinüber. Die Kaiserin zuckte mit den Schultern und kraulte Ariel die Ohren, der das genoss. »Auch ich kann Gebärdensprache lesen, weißt du. Und euch beide kenne ich mittlerweile gut genug, um zu verstehen, was Nimitz eigentlich gemeint hat.« Traurig lächelte sie. »Und du bist nicht die Einzige, die es so hart erwischt hat. Auch manch anderer lässt es in letzter Zeit an Logik fehlen. Manchmal glaube ich, je klüger wir sind, desto besser sind wir auch darin, neue Wege zu finden, uns über Katastrophen den Kopf zu zerbrechen, die vielleicht niemals eintreten.«
»Ich weiß nicht, ob das mit dem ›klüger‹ auf mich zutrifft«, erwiderte Honor. Mit großen Schritten quer durch den Raum trat sie an das Sofa gegenüber von Elizabeths Sessel heran. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass Leute mit mehr Fantasie auch besser darin sind, sich selbst geistig durch den Fleischwolf zu drehen.«
»Na gut, das gestehe ich dir zu.« Das Lächeln, das jetzt Elizabeths Lippen umspielte, hatte etwas Verschlagenes.
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