Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
gut, dass die Terrasse so groß ist.
»Hallo, Emily«, rief sie, als der Trupp näher kam. »Hat Mac dich geschickt, um uns zum Essen zu rufen?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte Emily grinsend. »Vielmehr habe ich beschlossen, ich müsste mal wieder meine Unabhängigkeit unter Beweis stellen und euch aus eigenem Antrieb hereinholen. Damit bin ich zwei Minuten schneller als Mac, vielleicht sogar drei!«
»Oh, eine wahre Herrin über das eigene Geschick!«, frotzelte Honor.
»Na, das sagt mir ja die Richtige! Meinst du, ich wüsste nicht, wer hier mit harter Hand die ganze Menagerie regiert?«
»Unfug!« Honor spielte es perfekt: Mit einem Mal trug sie die Nase sehr hoch. »Mac weiß mittlerweile bloß genau einzuschätzen, was ich möchte. Es ist reiner Zufall, dass ich immer genau das zu tun wünsche, was ich nach Macs Ansicht tun sollte. Ich könnte mich jederzeit anders entscheiden oder mich weigern, ihm beizupflichten.«
»Aber sicher doch!« Emily brachte ihren Lebenserhaltungssessel zum Stehen, und Faith und James rannten auf ihre große Schwester und ihren Onkel zu. Mittlerweile waren die beiden zu groß, um sich noch auf den Schoß ihres Onkels zu setzen. Doch Jacques schloss sie beide in die Arme, und Emily lächelte ihm zu. »War Honor auch so ein verzogenes Kind?«
»Verzogen?«, wiederholte Jaques nachdenklich, nachdem er seine Nichte und seinen Neffen zur Begrüßung geküsst hatte. Er legte den Kopf schief und zuckte dann die Achseln. »›Verzogen‹ ist nicht das richtige Wort. Sie war nur … kreativ darin, bei Bedarf ihre ganze Umwelt neu zu gestalten.«
»Ja, und das hat sie von ihrem Onkel geerbt«, warf Allison ein.
»Nun, zumindest von jemandem mit dem gleichen Erbmaterial.« Jaques lächelte seine Zwillingsschwester an. »Alley, du als Genetikerin solltest doch wissen, dass Erworbenes immer Angeborenes überbietet. Also, so lieb mir das wäre, leider darf ich diesen Erfolg nicht für mich verbuchen.«
»Ach, jetzt hört schon auf, ihr beiden!« Honor schüttelte den Kopf. »Ich hab Fehler, klar, reichlich sogar. Aber euch beiden fehlt der Mumm, Macs Abendessen kalt werden zu lassen. Wie wär’s? Gehen wir rein? Ihr könnt ja auch während des Essen darüber streiten, wer schuld ist, dass ich bin, wie ich bin.«
»Meine Güte, sieh nur, was aus dir geworden ist: eine Meisterstrategin!«, erwiderte ihr Onkel. »Wer hätte das je gedacht?«
Kapitel 13
Leise und diskret klingelte das Com auf dem Nachttisch. Honor war sofort wach.
Durch das Fenster im Schlafzimmer konnte sie sehen, dass es noch dunkel war. Die allerersten Strahlen der Morgensonne krochen gerade erst golden über den Horizont. Sofort kehrten die Erinnerungen zurück: Erinnerungen an schlaftrunkene Morgenstunden auf Sphinx, bevor Ihrer Majestät Navy Honor gelehrt hatte, augenblicklich von Tiefschlaf zu hellwach zu wechseln und umgekehrt. Erinnerungen an eine jüngere Honor Harrington, die der jetzigen unendlich weit entfernt zu sein schien … und so viel unschuldiger gewesen war als die Frau, die jetzt durch die Fenster den Tagesanbruch betrachtete. Einen Lidschlag lang beobachtete Honor, wie die Morgensonne zärtlich den Himmel im Osten küsste. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, immer noch das junge Mädchen zu sein, das aus dem Fenster ihres Schlafzimmers blickte und das vierhundert Jahre alte Gewächshaus betrachtete. Davor stand die uralte, neunzig Meter hohe Kroneneiche, in deren Rinde Stephanie Harringtons Initialen eingeritzt waren, darunter der Name ›Löwenherz‹. Das Mädchen, das damals den Baum betrachtete, hatte noch nie Uniform getragen, hatte noch kein Blut an den Händen, musste nicht die Last ertragen, Menschen verloren zu haben, die ihr nahegestanden hatten. Für dieses Mädchen war das Universum ein Versprechen fern am Horizont, makellos und rein.
In dem kurzen Moment, in dem Honor vom Klingeln des Coms aus dem Schlaf hochschreckte und ihre Abwehrmechanismen noch nicht aktiviert waren, stach die Trauer zu, schärfer als eine Klinge und grausamer als der härteste Winter. Etwas in ihr, in der Welt war unwiederbringlich verloren. Honor biss die Zähne zusammen. Gleichzeitig bemerkte sie, dass es neben Schmerz und Trauer noch anderes gab: das liebevolle Leuchten der schlafenden ’Katz auf ihrer Sitzstange und das warme, ruhige Atmen des Mannes, der sich an ihren Rücken geschmiegt hatte. Selbst noch im Schlaf legte er schützend die Arme um sie.
Nimitz und Hamish waren bei ihr, waren für sie da,
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