Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
an
der kalifornischen Pazifikküste. Auf dieser langen Fahrt gibt es außer Wüste
und noch mehr Wüste nicht sehr viel zu sehen. Die Zeit im Reisebus vergeht
daher nur sehr langsam. Während die älteren Leute die öde Landschaft geduldig
an sich vorbei ziehen lassen und auch den trockensten Pflanzen noch etwas
Interessantes abgewinnen, empfinden die jungen Gäste so eine Tagesstrecke von
über 650 Kilometern als undiskutable Zumutung. Sind in den Sommerferien
Teenager dabei, singt der Laune-Pegel meist schon nach zwei Stunden auf ein
kaum messbares Tief. Da es in der Wüste nun mal nicht sehr viel Abwechslung
gibt und nach zwei Fotostopps der Bedarf an Steinen und knöchrigem Buschwerk
gedeckt ist, versuche ich an Tagen wie diesen, meine Gäste mit spannenden
Geschichten und Informationen über Land und Leute vor dem Dauerschlaf zu
bewahren.
Die USA sind
ein großartiges Reiseland, ganz ohne Zweifel. Doch das verzerrte Bild, das
viele Europäer von den Amerikanern haben, überrascht mich immer wieder. Da
heißt es zum Beispiel:
„Die Amis sind
oberflächlich. Die tun immer so freundlich, aber dann steckt nichts dahinter.“
Diese
Erfahrung habe ich in den vielen Jahren, die ich hier gelebt habe, nie gemacht.
Ganz im Gegenteil. Ich kenne die Amerikaner als sehr offene und gastfreundliche
Menschen, die vielleicht etwas unverbindlicher als der Deutsche, aber
keinesfalls oberflächlich sind.
„Ja, aber die
sagen zu Jedem ‚Hi‘ und ‚How are you?‘. Und wenn man dann antwortet, wollen die
gar nicht wirklich wissen, wie es einem geht.“
Ich empfinde
das ganz anders und reagiere dementsprechend.
„Ist es nicht
wunderbar, wie sich die Menschen hier auf der Straße begrüßen und sich dabei in
die Augen sehen, statt mit gesenktem Blick aneinander vorbei zu huschen, als
wäre ein kleines ‚Hallo, wie geht’s?‘ eine tödliche Beleidigung?“
Selbstverständlich
will der Amerikaner von einem Fremden auf der Straße nach einem einfachen „How
is it going?“ nicht wissen, dass ihm am Morgen der Müllbeutel geplatzt ist
oder, dass er sich um seine Tante Elli sorgt, die im Altersheim sitzt und seit
Tagen nichts mehr gegessen hat. Aber das will der Deutsche von seinem Bekannten
an der Supermarktkasse auch nicht hören. Ein einfaches: „Great. How are you?“
ist als Antwort für einen Amerikaner absolut ausreichend und schon zieht man
seines Weges. Mit Oberflächlichkeit hat das nichts zu tun. Es handelt sich
lediglich um den Austausch netter Floskeln und freundlicher Blicke.
Damit die
Gäste nicht nur Kakteen und Wüstengras zu sehen bekommen, mache ich mit der
Gruppe im Grenzgebiet von Kalifornien und Arizona in der Ortschaft Yuma einen
ausgiebigen Mittagsstopp. Hier bietet sich die Gelegenheit, mal so richtig
amerikanisch in einem typischen all you can eat Restaurant, dem Hometown
Buffet , zu speisen. An dieser Stelle bestätigt sich dann so manches
Amerika-Klischee. An einer meterlangen Theke reiben sich hier dickleibige
Menschen aneinander, gekleidet in Stretchhosen und kunterbunten Kleidern, die
an Fallschirme erinnern. Jeder scheint darauf bedacht, seinen Teller so voll
wie eben möglich zu packen. Fleischklumpen und Kartoffeln werden gekonnt
gestapelt - der ganz persönliche Turmbau zu Babel. Die Deutschen tuscheln und
kichern. Endlich Amerika.
„Ja, so haben
wir uns das vorgestellt.“
Zaghaft greifen
sie beim ersten Gang an der Cholesterintheke nach den kleinsten Tellerchen und
legen sich hier ein Möhrchen und da ein Böhnchen drauf. Die Amerikaner würden
lachen, wären sie nicht zu beschäftigt, Unmengen von weißer Masse aus der
Softeismaschine zu pressen, um sie anschließend unter Zuckerstreusel und
Schokosplittern verschwinden zu lassen. Als Dekor darf natürlich eine Schaufel
voll karamellisierter Cocktailkirschen nicht fehlen. Dazu gibt’s dann noch
einen halben Liter klebrige Limo aus der Sodafontäne. Für nicht einmal zehn
Dollar kommt man im Hometown Buffet dem Schlaganfall garantiert einen
Schritt näher. Der deutsche Tourist empfindet den ersten Besuch in so einem
Restaurant in der Regel als ein ganz besonderes Erlebnis. Und selbst die
gelangweilten Teenager haben hier ihren Spaß, wenn sie zusehen können, wie
Ihresgleichen in nur einer Stunde fünf oder sechs Pfund zunehmen. Die
Weiterfahrt nach Phoenix bietet nun eine Menge Gesprächsstoff und es hallt von
hinten durch den Bus:
„Ja, ja, die
Amis. Die fressen und fressen bis sie platzen.“
Ich muss dann
immer
Weitere Kostenlose Bücher