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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Tappe
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Bräckfaaast?“
    „Ab sechs
Uhr“, erwiderte ich freundlich, „und die Abfahrt ist um sieben Uhr.“
    „Ach?
Tatsächlich?“ Er wandte sich seiner Gattin zu. „Haste gehört Evchen? Wir fahren
schon um sieben!“
    „Nee, Otto,
das haste falsch verstanden. Wir fahren doch immer um halb acht.“
    „Nee, Evchen,
komma her. Der sacht sieben.”
    „Aber wir sind
doch heute auch um achte los.“ Evchen schüttelte den Kopf. Das war einfach zu
viel für sie. Heute um halb acht – morgen um sieben. Da weiß man ja nicht, wo
einem der Kopf steht. Deutsche Touristen sind nun mal Gewohnheitstiere und
äußerst unflexibel, wenn es darum geht, flexibel zu sein.
    „Also“, holte
Evchen aus, „der Reiseleiter im Bus hat gesagt, wir fahren um achte.“
    Ich kochte
innerlich, versuchte aber, mich zu beherrschen.
    „Frau
Siedewind. Ich bin der Reiseleiter aus dem Bus und ich sagte halb acht.
Wir fahren pünktlich um halb acht vor dem Hotel ab!“
    „Sie sind der
Reiseleiter aus dem Bus? Ich hätt’ sie gar nicht wiedererkannt.“ Evchen schien
ernsthaft verdattert. „Also, zu Hause stehen wir ja immer um Sechse auf.“
    Gerade als ich
eine letzte Wir-fahren-um-halb-acht-Tirade starten wollte, bemerkte ich, wie
sich die Fahrstuhltür gegenüber der Rezeption öffnete. Ein Pulk von Menschen
mit Koffern bewegte sich schnaubend in meine Richtung.
    „Unsere
Schlüsselkarten funktionieren nicht“, schallte es durch die Lobby.
    Ich nahm einen
tiefen Atemzug und wendete mich dem Empfangspersonal zu. Der Rezeptionist hatte
zwar alle Schlüsselkarten in kleine Briefumschläge gesteckt, aber
offensichtlich vergessen, die Karten vorher zu programmieren. So kamen nach und
nach achtundvierzig genervte Gäste aus den Fahrstühlen, um sich bei einem
genervten Reiseleiter über etwas zu beschweren, für das er gar nichts konnte.
Alle schnatterten durcheinander wie die Enten. Genscherbäckchen rief:
    „Meine Frau
muss dringend aufs Klo!“
    Der Dresdner
meckerte im tiefsten sächsisch:
    „Was ist denn
das für eine Schlamperei?“
    Wutentbrannt
schlug er mit der flachen Hand auf den Empfangstresen und befahl dem völlig
überforderten Rezeptionisten in nicht ganz perfekten Englisch:
    „Hey Juh! Meyk mie plies ä nju
kie!“
    Eine gute
halbe Stunde später waren auch die letzten Gäste wieder mit neuen Schlüsselkarten
versorgt und auf dem Weg zu ihren Zimmern. Endlich Ruhe! Ich sah auf meine Uhr:
Noch eine Stunde bis zum Abendausflug. Ich beschloss, mein Zimmer aufzusuchen,
um mich ein Viertelstündchen aufs Ohr zu hauen. Immerhin war ich seit fünf Uhr
auf den Beinen. Ich musste die Gelegenheit beim Schopf packen, sonst würde ich
vor 23 Uhr keine Möglichkeit zur Rast bekommen. Also schnappte ich mir mein
Gepäck und machte mich auf in die fünfte Etage. Es sind die wenigen Minuten der
Ruhe, die ein Reiseleiter besonders zu schätzen weiß. Kann man sich eine
Viertelstunde ausklinken, ist das wie Wellness pur. Kunst ist, diese kostbare
Zeit auch effizient zu nutzen. Auf dem Weg zu meinem Gemach sah ich mich
bereits ausgestreckt und mit geschlossenen Augen auf einem bequemen Bett
liegen.
    Mein erster
Handgriff in amerikanischen Hotelzimmern gilt in der Regel dem Aus-Schalter der
Klimaanlage. Ich mag es gern kühl, aber hat man das Gefühl, in einer arktischen
Grabkammer gelandet zu sein, hört der Spaß auf. Gerade hatte ich meinen Koffer
abgestellt, die Klimaanlage abgeschaltet und mich aufs Bett fallen gelassen,
war es auch schon aus mit meiner Mini-Wellness-Kur. Kaum hörbar, jedoch zu
laut, um es ignorieren zu können, nahm ich ein irritierendes Summen wahr. Mir
kam der unangenehme Gedanke an Nerventerror.
    „Ich kann auf
gar keinen Fall eine ganze Nacht bei der Summerei in diesem Zimmer verbringen“,
redete ich mir ein.
    Ich raffte
mich also auf, die Natur des Summens zu erkunden und den genauen Ausgangpunkt
zu orten. Langsam schlich ich durch den Raum und war dabei sicher, dass das
unangenehme Geräusch seinen Ursprung in der Zimmerdecke hatte.
    „Muss die
Klimaanlage sein!“, diagnostizierte ich und beschloss, der Rezeption einen
Besuch abzustatten.
    Gäste, die
sich beschweren, sind nicht nur dem Reiseleiter, sondern auch dem Hotel ein
Dorn im Auge. Ein Reiseleiter, der sich beschwert, ist kein Dorn im Auge des
Hotelpersonals, sondern eher ein Holzpflock. Der kluge Reiseleiter beschwert
sich nicht und schont das gestresste Personal wo er kann, denn er weiß, er ist
sicher nicht zum letzen Mal Gast im Hause. Doch ich

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