Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
sollte sich nach einem Sommerregen an das Flussufer des
Oak Creeks begeben. Dort gibt es den Schlamm dann gratis.
„Es ist ja so
schön hier. Man mag gar nicht wieder fort“, schwärmte Heidi Büchsenschütz, als
ich meine Gäste nach der Mittagpause in Sedona zum Einsteigen aufforderte. Bis
zum Grand Canyon standen uns noch mehr als zwei Stunden Busfahrt bevor. Der Weg
dorthin führt durch den wunderbaren, wenn auch sehr kurvigen Oak Creek Canyon.
Den meisten Gästen fielen schon nach wenigen Kilometern die Augen zu und von
der Schönheit der Natur bekamen sie nicht viel zu sehen. Ein reichhaltiges
Mittagessen, gefolgt von Serpentinen, ist eben ein unschlagbares Schlafmittel.
Ich selbst versuchte so gut wie möglich gegen den Schlaf anzukämpfen, da ich
jedes Mal peinlichst berührt bin, wenn ich einnicke und mir dann ein Gast auf
die Schulter klopft, weil mein Kopf mal wieder wie ein Gummiball hin und her
hopst. Ein besonders böser Busfahrer vergleicht mich gerne mit einem dieser
Wackel-Dackel, die früher die Ablage der Autoheckfenster zierten. An diesem
Nachmittag verlor ich den Kampf gegen die Müdigkeit und meine Augenlider fielen
zu. Ich war selig und entspannt ins Land der Träume geglitten, als mich
plötzlich jemand zaghaft am Arm zupfte.
„Herr Tappe.
Entschuldigen Sie bitte“, flüsterte eine Frauenstimme neben mir. Ich erkannte
sie mit geschlossenen Augen. Sie gehörte Heidi Büchsenschütz.
„Herr Tappe“,
sagte sie nun etwas energischer, wenn auch immer noch im Flüsterton, „ich
glaube, mein Mann ist gerade gestorben.“
Zong! Ich
traute meinen Ohren nicht. Mit einem Schlag war ich in die Realität
zurückkatapultiert worden.
„Wie bitte?“,
fragte ich ungläubig.
„Mein Mann. Er
atmet nicht mehr und er ist ganz kalt.“
Frau
Büchsenschütz wirkte erstaunlich gefasst. Ich sprang auf und schob die Dame zur
Seite. Ganz hinten im Bus, in der vorletzten Reihe, sah ich den Mann. Mit
offenem Mund lehnte er leblos an der Fensterscheibe.
„Ich dachte,
er schläft. Aber er wird gar nicht mehr wach.“ Frau Büchsenschütz hatte sich
fest an meinen Arm geklammert.
„Pull over!”,
rief ich dem Busfahrer zu. „I think, we have a problem.”
Panik machte
sich in mir breit und das Herz in meiner Brust schlug so heftig wie ein
Presslufthammer. Was sollte ich denn nun tun? Eine Leiche. Du liebe Güte. Und
das mitten in der Pampa. Und dann auch noch Herr Büchsenschütz. Ich muss dazu
sagen, dass ich, anders als viele meiner Kollegen, noch nicht sehr
Leichenerfahren war. Klar, Menschen sterben nun mal. Sogar im Urlaub. Im
Fachjargon nennen wir sie Hugos. Das steht für: „Heute unerwartet gestorbenes
Objekt“. Ich hatte zwar schon mal einen Hugo gehabt, aber das war fast zwanzig
Jahre her - auf der Insel Korsika. Damals war ein Gast im Hotelpool ertrunken,
nachdem er an die zwanzig Schnäpse getrunken hatte. Wir ließen ihn einfach
abholen und die Sache war erledigt. Aber nun befand ich mich mitten in der
Wildnis, an einem Ort, an dem selbst das beste Handy kein Funksignal empfangen
kann. Ich löste mich aus dem festen Griff der erschrockenen Frau und begab mich
in den hinteren Teil des Busses. Herr Büchsenschütz hatte uns verlassen. Gerade
jetzt, wo wir so nah am Grand Canyon waren. Ich starrte den leblosen Körper an
und fühlte dabei Entsetzen. Jetzt nur nicht ausflippen. Reiß dich zusammen,
Ollie! Inzwischen waren die Gäste in den umliegenden Reihen aufgewacht und
ahnten bereits, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Du lieber
Himmel. Ist er etwa tot?“ fragte die alleinreisende Dame, die hinter Herrn
Büchsenschütz saß, im Flüsterton. Die Leute begannen zu tuscheln, aber niemand
bot seine Hilfe an. Ich musste handeln. Vorsichtig beugte ich mich zu der
Leiche hinüber und fasste an ihr Handgelenk. Es war kalt. Den Puls konnte ich
definitiv nicht fühlen. Um mich herum reckten inzwischen die Neugierigen die
Hälse. Jeder wollte sehen, was der Reiseleiter wohl als Nächstes tat. Ich
leckte mir über den Handrücken und hielt ihn vor den leicht geöffneten Mund des
Mannes. Nichts. Kein Atem zu spüren. Um ganz sicher zu gehen, legte ich ihm
vorsichtig meinen Zeige- und Mittelfinger an die Halsschlagader. Ich zitterte
derart, dass ich die richtige Stelle nicht gleich fand.
„Weiter
vorne!“, rief jemand fordernd.
Mir stand der
Schweiß auf der Stirn. Ich bildete mir ein, eine leichte Bewegung an der Ader
zu spüren und drückte meine Finger etwas fester an den Hals. Ohne
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