Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
andere Flora tut sich auf.
Die Berge der Umgebung sind grün bewachsen und nichts erinnert mehr an die
dörre Wüste. Endlich andere Tapeten. Die Fahrt auf das Hochplateau ist
besonders schön an sonnigen Tagen, denn auf halbem Weg tauchen am Horizont
plötzlich leuchtend rote Felsen auf, die einen wunderbaren Kontrast zum
stahlblauen Himmel bieten.
An so einem
herrlichen und wolkenlosen Tag hatte ich vor einigen Jahren auf dieser Strecke
ein Erlebnis, das ich sicher nie vergessen werde. Es war der 12. Juni. Ein
Datum, auf das sich Heidi und Ernst Büchsenschütz aus Krefeld ganz besonders
gefreut hatten, denn an genau diesem Tag feierten sie ihren vierzigsten
Hochzeitstag. Die Aufregung war groß, weil sich außerdem nach vierzig langen
Jahren ein Traum für das Ehepaar erfüllen sollte. Am Tag ihrer Hochzeit
versprach Ernst seiner Heidi, sie ins ferne Amerika an den Grand Canyon zu
bringen. Dass sie allerdings fast ein halbes Jahrhundert auf diesen Moment
warten müsste, hätte sich die junge Braut damals sicher nicht träumen lassen.
Doch alles hat seine Zeit. Nun waren die Kinder aus dem Haus und die erste
Rentenzahlung auf dem Konto von Herrn Büchsenschütz eingegangen. Einer Reise
über den großen Teich stand also nichts mehr Weg.
Zum Frühstück
servierte Ernst Büchsenschütz seiner Frau an diesem Morgen eine
Miniaturhochzeitstorte, die er aus einem Muffin gebastelt und mit zwei kleinen
Plastikfiguren verziert hatte. Eine Geste, die erahnen ließ, wie nahe sich die
Beiden standen. Das Ehepaar war überhaupt ganz furchtbar nett und ich wartete
gespannt, ob der Grand Canyon ihren hohen Erwartungen entsprechen würde. Herr
Büchsenschütz hatte mich zwei Tage zuvor heimlich beauftragt, einen Rundflug
mit dem Hubschrauber über den Canyon zu buchen. Es sollte eine Überraschung für
„Muttchen“ sein, wie er seine Heidi stets zu nennen pflegte.
„Na, die wird
Augen machen!“, rief er jubelnd und rieb sich die Hände, als ich ihm den
Flugschein zusteckte.
Ich freue mich
stets über Gäste, für die so eine Reise noch etwas ganz Besonderes ist. Oft
werden die einzelnen Destinationen von den Besuchern nur noch abgehakt wie auf
Strichlisten. Ganz nach dem Motto: “Been there, done that, got the
T-Shirt”. Die Lust, sich mit dem Reiseland auseinander zu setzen,
schwindet mehr und mehr. Gerade die jungen Leute wirken schnell gelangweilt, wenn
nicht im Stundentakt ein Höhepunkt auf den anderen folgt. Jedenfalls waren mir
die Büchsenschütz sehr willkommene Gäste, weil sie auch an Land und Leuten sehr
viel Interesse zeigten und, wie ich schnell feststellen konnte, sich sehr
intensiv auf ihre Reise vorbereitet hatten.
Als wir an
diesem Tag das Künstlerstädtchen Sedona erreichten, waren alle Gäste
gleichermaßen von der atemberaubenden roten Felslandschaft fasziniert, die dem
Ort als natürliche Kulisse dient. Sedona ist zweifellos die am schönsten
gelegene Ortschaft Arizonas und ein Treffpunkt für alle, die das
Außergewöhnliche suchen. Seit Jahrzehnten fühlen sich Esoteriker von der
Umgebung angezogen, in der starke Energiefelder das spirituelle Wachstum des
Menschen beflügeln sollen. Davon profitieren vor allem die unzähligen
Kartenleger, Heiler und Schamanen, die mit bunten Werbeblättern in den Läden
der Hauptstraße ihre Dienste wie warme Semmeln anpreisen. Auch viele Künstler
hat es im Laufe der Jahre nach Sedona verschlagen. Neben einer breiten Auswahl
an Indianerschmuck und allerlei Kunsthandwerk aus der Region, findet der
Besucher auch interessante Galerien, die einheimische Maler repräsentieren.
Schaut man sich die Bilder dieser Künstler etwas genauer an, bekommt man leicht
das Gefühl, die Energiestrudel in der Gegend hätten sie dazu animiert, den
einen oder anderen Joint zu rauchen, bevor sie zu Pinsel und Farbe griffen. Wer
etwas tiefer in die rote Felslandschaft eintauchen möchte, lässt sich von einem
Wanderführer auf den Pfaden alter Indianer zu den schönsten Aussichtspunkten
der Umgebung führen. Dem Fußfaulen steht als Alternative auch der Rücken eines
Pferdes oder der Rücksitz eines offenen Jeeps zur Verfügung. In jedem Fall ist
ein Trip durch die Landschaft sehr abenteuerlich. Einen wichtigen Stellenwert
nimmt in Sedona inzwischen auch der Wellnesstourismus ein, dessen Zielgruppe
die eher wohlhabenden Besucher sind. In eleganten Resort Hotels dürfen sie sich
für viel Geld in roten Schlammbädern suhlen, die ewige Schönheit versprechen.
Wer’s preiswerter mag,
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