Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Wege der Damen wieder
trennten, steckte Frau Zuppel der immer noch fassungslosen Haarkünstlerin eilig
eine Postkarte zu.
„Da hab ich
mir glatt das Porto gespart.“
Sie war
begeistert. Es war ein guter Tag im Leben der rheinländischen
Schreibfanatikerin.
Nur ungern
verlassen die Gäste den Grand Canyon und maulen, wie an jeder Sehenswürdigkeit,
über den akuten Zeitmangel. Ich komme mir dann immer vor wie der Geißen-Peter,
der seine Herde zusammentreiben muss, und nicht selten wünsche ich mir einen
Schäferhund zur Unterstützung. Einen mit großen Zähnen am besten, einen der
laut bellt und keine Widerworte duldet. Aber das ist ein anderes Thema. Wir
machen einen letzten Fotostopp am Desert View Point , dem
äußersten Ostrand des Canyons und genießen die herrliche Sicht auf den Colorado
Fluss. Kaum sitzen wir wieder im klimatisierten Gefährt, geht‘s auch schon
bergab und die Landschaft verändert sich drastisch. Die knorrigen Wachholder-
und Kiefernwälder verschwinden aus dem Blickfeld. Vor uns tut sich die Wüste
auf. Wir nähern uns dem Reservat der Navajo Indianer. Wäre ich politisch
korrekt, würde ich sie allerdings nicht als Indianer, sondern als Native
Americans , also als eingeborene Amerikaner betiteln. In diesem Fall mache
ich‘s mir jedoch einfach und folge dem Beispiel von Christopher Columbus, dem
die Eingeborenen die Bezeichnung Indianer zu verdanken haben. Ich muss aber zu
meiner Verteidigung sagen, dass sich viele der Menschen hier im täglichen
Sprachgebrauch selbst als Indians bezeichnen.
Rechts und
links am Highway sieht man auf dieser Strecke ärmliche Fertighäuschen und
baufällige Holzverschläge, in denen indianische Großfamilien auf engstem Raum
zusammen leben. Die Navajos sind der größte anerkannte Stamm der USA. Von
225.000 registrierten Stammesmitgliedern leben rund 180.000 auf dem
Reservatland. Dieses hat in etwa die Größe des Freistaat Bayern und ist von
rotem Wüstensand und trockenem Gestrüpp geprägt. Der Großteil dieser Menschen,
die sich in ihrer eigenen Sprache Dineh nennen, lebt unterhalb der
Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über fünfzig Prozent und das
Durchschnittseinkommen des Einzelnen bei etwa 7.500 Dollar pro Jahr. Dazu
kommen die kaum erträgliche Hitze in den Sommermonaten und die eisigen Winter,
die ebenso an der Substanz der Menschen nagen. Der Ausdruck „Zentralheizung“
ist für sie ein absolutes Fremdwort. Viele Haushalte verfügen weder über
fließendes Wasser, noch über Strom. Der Anblick ist mitleiderregend und meine
Gäste sind oft schockiert, in einem Land wie den Vereinigten Staaten noch immer
Gegenden vorzufinden, in denen Menschen in solch unwürdigen Verhältnissen
leben. Daran, dass sie selbst Tag für Tag acht Stunden eingepfercht auf engstem
Raum mit nur einem Klo an Bord hunderte Kilometer zurücklegen müssen, erinnere
ich sie in solchen Momenten lieber nicht. Da kämen sie nur auf dumme Gedanken.
Aber genau genommen ist so eine Bustour mit zweiundfünfzig Passagieren und nur
einer Tür zum Ein- und Aussteigen auch nicht unbedingt menschenwürdig. Viele
Urlauber sind überrascht, weil sie davon ausgegangen sind, im Wilden Westen
deutsche Komfortbusse mit Minibar, Hostess und Beinfreiheit vorzufinden. Weit
gefehlt. Der amerikanische Bus ist sozusagen das Navajo Reservat unter den
Reisebussen. Einfach, ärmlich und unbequem. Womit wir wieder beim Thema wären.
Bevor wir an
diesem Tag unser Etappenziel, das Monument Valley, erreichen, machen wir einen
Mittagsstopp in Kayenta, einem etwas skurril anmutenden Städtchen. Es zählt mit
5.300 Einwohnern zu den großen Metropolen des Reservats. Wer hier allerdings
nach Tipis und alter Indianerromantik à la Winnetou sucht, wird bitter
enttäuscht. Am Ortseingang steht eine mehr oder weniger moderne Häusersiedlung
und an der Hauptkreuzung der Durchgangsstraße befinden sich ein Burger King,
ein McDonald und ein schlecht sortierter Supermarkt. Das war’s auch schon. Mal
abgesehen von einer Hand voll Touristenhotels, die auch nicht gerade einladend
wirken. Hier hat man den Eindruck, am Ende der Welt angekommen zu sein. In
Kayenta wird deutlich, dass die Missionare der westlichen Religionen ganze
Arbeit geleistet haben. Kaum ein Navajo in diesem Ort folgt heute noch den
traditionellen Riten und Gebräuchen, die einst die Kultur der Indianer so
geprägt hat. Vielmehr haben sie sich von Kirchenvertretern bekehren lassen und
sind Mitglieder verschiedenster
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