Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
nahe einer der vielen
Ponderosa-Kiefern und lade meine Gäste zu einer Schnupperprobe ein. Nur Wenige
wissen, dass die Rinde dieser Kiefer nach Vanille riecht. Vorbeifahrende
Parkgäste staunen nicht schlecht, wenn sie eine Busladung Deutscher sehen, die
sich drängeln und ihre Nasen an den Baum drücken, um anschließend wilde „Oh!“
und „Ah!“ Laute von sich zu geben.
Nur wenige
Meilen nach Verlassen des imposanten Zion Nationalparks verändert sich die
Landschaft dramatisch. Konnte man eben noch ein alpenartiges Panorama in
schillerndem Rot durch die Fenster des Busses genießen, tut sich bald die weite
Mojave Wüste auf. Vergleichsweise hat diese Landschaft, zumindest auf den
ersten Blick, nicht sonderlich viel zu bieten. Wie auf Kommando schließen meine
Gäste dann die Augen und halten ein verfrühtes Mittagsschläfchen. Das gibt mir
Gelegenheit, mich auf den bevorstehenden Abend vorzubereiten, der für uns
Reiseleiter wohl der anstrengendste auf so einem Trip sein dürfte. Mit bis zu
fünfzig Leuten im Schlepptau durch die Kasinohotels zu marschieren und dabei in
vier oder fünf Stunden alle Highlights abzugrasen, die Las Vegas zu bieten hat,
ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Nicht selten geht dabei auch der eine oder
andere Gast verloren und man kann nur hoffen, dass er sich den Namen seines
Hotels gemerkt hat und aus eigener Kraft dorthin zurück findet. Noch mehr als
anderswo gilt hier die alte Weisheit: Ein bisschen Schwund ist immer.
Einmal habe
ich die halbe Nacht nach einer älteren Dame gesucht, die ich im alten Rom, im
Cesars Palace Hotel, aus den Augen verloren hatte. Normalerweise gehe ich davon
aus, dass sich die verlorenen Schafe irgendwann von alleine wieder im Hotel
einfinden, doch bei Tia Junkert war ich mir nicht so sicher. Sie machte vom
ersten Tag an einen sehr zerstreuten Eindruck. Zudem hatte die Münchnerin die
Eigenart, sich auch bei höchsten Temperaturen einen lila Kunstpelz um den
Nacken zu legen, was mich ehrlich gesagt etwas beunruhigte.
„Hier zieht’s
doch überall“, war ihre Begründung. „Im Flugzeug, auf den Toiletten und sogar im
Freien zieht’s einem hier!“
In den
Restaurants, die wir unterwegs ansteuerten, pflegte sie dem amerikanischen
Bedienungspersonal ihr Leid täglich aufs Neue zu klagen.
„Kähn juh törn
off sie Ähr? It pulls!“
Natürlich
verstand sie niemand. Mal davon abgesehen ist den Amerikanern das Konzept von
„Es zieht!“ auch gar nicht bekannt. Die fühlen sich nämlich erst so richtig
wohl, wenn im Supermarkt bei sechs Grad über Null ein Polarwind aus der
Klimaanlage bläst.
Schon zu
Beginn der Reise in Los Angeles war mir Pelz-Tia bei einem Fotostopp davon
gelaufen. Dank ihrer Trödelei mussten die restlichen Reiseteilnehmer eine halbe
Stunde im Bus auf sie warten. Und auch an diesem Abend hatte die betagte Dame
offenbar eigene Pläne. Als alle anderen Gäste einen planmäßigen Stopp im Cesars
Palace nutzten, um die Toiletten aufzusuchen, beschloss Pelz-Tia, einen
Abstecher ins Kasino zu machen. Dort wollte sie nur mal schnell ein wenig
Kleingeld in den einarmigen Banditen werfen. Von ihrem kleinen Ausflug hatte
sie jedoch weder mich noch irgendeinen Mitreisenden in Kenntnis gesetzt. Glück
im Spiel – Pech mit dem Reiseleiter, war das Fazit. Pelz-Tia gewann im
Handumdrehen 1.500 Dollar. Wahrlich ein schönes Taschengeld, nur sprach die
Dame kaum Englisch und hatte dementsprechend Mühe, mit dem Kasinopersonal zu
kommunizieren. Als man ihr den Gewinn nach langem Hin und Her endlich
auszahlte, war ich mit dem Rest der Truppe bereits über alle Berge, oder besser
gesagt, auf dem Weg nach Downtown Las Vegas. Dort wollten wir die legendäre Fremont
Street Experience bestaunen. Über die alte Hauptstraße, die Fremont Street,
hat man in den neunziger Jahren ein Dach gezogen, unter dem allabendlich
zwischen 20 Uhr und Mitternacht immer wechselnde Licht- und Musikshows
stattfinden. Der Besuch dieses Spektakels darf natürlich auf so einer Nachttour
durch Las Vegas auf gar keinen Fall fehlen.
Als wir gegen
23 Uhr wieder im Hotel eintrafen, fehlte von Frau Junkert noch immer jede Spur.
Da ich ohnehin nicht hätte einschlafen können, machte ich mich auf, die
Vermisste zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit, eine Nadel im Heuhaufen zu finden
oder eine Million Dollar am Roulette Tisch zu gewinnen, war sicher wesentlich
größer, als Pelz-Tia im Gewühl der unzähligen Spielautomaten zu orten. Ich
wollte mir aber keines Falls nachsagen lassen,
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