Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
ich erst beim
genaueren Hinsehen einordnen konnte. Klapper-Brit trug ein knallrotes enges
Minikleid aus Satin, ein rotes Hütchen und rote Netzstrümpfe. In der rechten
Hand hielt sie einen kleinen Bastkorb. Darin lag ihr Brautstrauß. Mir stockte der
Atem. Neben ihr stand Hans. Mit einem großen Fell um die Schultern und einem
Wolfskopf als Mütze sah er vielleicht nicht ganz so attraktiv, aber mindestens
ebenso spektakulär wie seine Zukünftige aus. Brit und Hans hatten sich allen
Ernstes als Rotkäppchen und der böse Wolf verkleidet. Sie strahlten über alle
vier Backen und taten, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, im
Karnevalskostüm vor den Traualter zu treten. Bei ihrem Anblick blieb mir die
Spucke weg. Auch Jeffrey kostete es Mühe, die Fassung zu bewahren, obwohl er in
seinen dreißig Jahren als Trauungsbeamter sicher schon eine ganze Menge erlebt
hatte. Ich bewunderte, mit welcher Contenance der Mann seinen Job erledigte.
Nicht eine Sekunde verzog er während der Zeremonie die Miene. Ich hingegen
musste ständig an die Reisegruppe denken, die gerade den Spaß ihres Lebens
verpasste. Es fiel mir mehr als schwer, auch nur halbwegs ernst zu bleiben.
„Would you, Little Red Riding
Hood, take this Wolf as your husband for better and for worse?”, sprach Jeffrey
mit ernstem Ton.
Als
Rotkäppchen mit “Yes“ antwortete und der Wolf kurz darauf ebenfalls sein
Ja-Wort gab, küsste sich das ungewöhnliche Paar unaufgefordert und
leidenschaftlich, um seine Liebe zu besiegeln. Jeffrey sah ungeduldig auf die
Uhr. Er unterbrach die Turteltauben schließlich und forderte sie höflich auf,
die Ringe auszutauschen. Das war leichter gesagt, als getan, da sich Hans dafür
erst einmal seiner Tatzen-Handschuhe entledigen musste. Jeffrey drückte auf
einen Knopf am Altar. Durch die creme-weißen Lautsprecher an der Decke begann
Frank Sinatras „Viva Las Vegas“ zu tönen. Kurz darauf knallte der Sektkorken
und auch das Empfangspersonal der Kapelle gesellte sich zu uns. Sie waren
äußerst neugierig, hatten aber noch nie von den Gebrüdern Grimm, geschweige
denn von Rotkäppchen und dem bösen Wolf gehört.
„Für wen haben
Sie die beiden denn gehalten?“ fragte ich interessiert nach.
„Oh, ich weiß
nicht.“ Die Empfangsdame hob die Schultern „Ich dachte, vielleicht ist das so
eine Art erotisch-schamanische Hochzeit. Mit Krafttier und so.“
Der
Hausfotograf war begeistert. Er verknipste gleich zwei Filme und bat das
Brautpaar inständig, einige Abzüge an die Kapelle zu senden. Alles in allem
eine gelungene Hochzeit, die auch für Las Vegas Verhältnisse sicher nicht
alltäglich war. Während wir gemeinsam auf das Taxi warteten, erfuhr ich von
Hans und Brit die Hintergrundgeschichte ihrer Hochzeitsverkleidung. Den halben
Vormittag hatten die Beiden bei einem klassischen Brautmodenverleih mit der
Suche nach einem passenden Kleid verbracht. Da Brit sich in den amerikanischen
Taftkleidern jedoch wie eine Baiser-Torte fühlte, entschlossen sie kurzerhand,
auf eine Trauung in mittelalterlichen Roben umzudisponieren. Der Kostümladen an
den man das Paar verwiesen hatte, konnte jedoch nicht mit passenden Größen
aufwarten. Als Brit schließlich beim Verlassen des Geschäfts eine
Schaufensterpuppe im Rotkäppchenkleid erblickte, war es offenbar um die junge
Frau geschehen.
Einige Wochen
später erhielt ich einen Brief von den Frischvermählten. Anscheinend hatten
sich Brits Eltern über die plötzliche und nicht ganz traditionelle Hochzeit
derart aufgeregt, dass Brit und Hans einwilligten, in ihrem Heimatort noch eine
weitere Trauungszeremonie ganz nach guter deutscher Manier über sich ergehen zu
lassen. Ob Brit sich dafür in ein weißes Brautkleid gezwängt hat, ist mir
allerdings unbekannt. Hauptsache, ihr junges Glück ist von Dauer.
Und wenn sie
nicht gestorben sind, dann haben sie vielleicht schon Kinder, denen sie nicht
nur das Märchen der Gebrüder Grimm, sondern auch die wahre Geschichte von
Rotkäppchen und dem bösen Wolf erzählen.
Viva
Las Vegas!
09 Von Las Vegas nach
Fresno - Die Sache mit der
nackten Susi
Ich
werde häufig von Freunden und Bekannten gefragt:
“Mal ganz
ehrlich, Ollie, wie ist das denn so mit den Frauen in deinen Bussen? Die stehen
doch sicher alle auf den Reiseleiter, oder?“
Entweder
machen sich die Menschen in meinem Umfeld keine Gedanken, oder sie haben im
Fernsehen zu viel Traumschiff geguckt und machen sich die falschen Gedanken.
Sascha Hehn
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